Feldzeugmeister Graf von Kolowrat-Liebsteinsky

Vincenz Maria Graf von Kolowrat-Liebsteinsky wurde am 11. Mai 1750 zu Czernikowitz im damaligen Königgrätzer Kreis Böhmens geboren und entstammte dem böhmischen Hochadel. Als ein nachgeborener Sohn des Grafen Franz Joseph I. von Kolowrat-Liebsteinsky (1718-1758) und der Gräfin Maria Karolina von Waldstein (1724-1781) wurde der junge Graf, erst fünf Jahre alt, am 25. April 1754 in den Malteser-Orden aufgenommen und zwei Jahre später, am 6. Januar 1756 als wirklicher Ritter eingeschworen. Hierauf betrat er die militärische Laufbahn, trat am 6. Februar 1768 als Leutnant in das kaiserlich-österreichische Infanterie-Regiment Nr. 19 „Leopold Graf Pálffy“ ein und avancierte schon am 27. März 1769 zum Hauptmann im Infanterie-Regiment Nr. 7 „Gyulay“.

Nachdem er im März 1776 sein vorgeschriebenes Gelübde als Malteser-Ritter abgelegt hatte, rückte Kolowrat-Liebsteinsky nach dem Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/79) am 2. Juni 1782 zum Major im Infanterie-Regiment Nr. 7 auf und wurde den 1. April 1788 zum Oberstleutnant im 2. Banal-Grenzregiment ernannt. Mit diesem Regiment machte der Graf den Krieg gegen das Osmanische Reich von 1788 bis 1791 mit, wobei er mehrfach Gelegenheit hatte, seinen Mut und seine Entschlossenheit unter Beweis zu stellen, so vor allem beim Sturmangriff auf Novi Sad am 3. Oktober 1788, als er die ihm unterstellten Truppen so begeisterte, dass diese Wunder an Tapferkeit verrichteten, während Graf Kolowrat-Liebsteinsky bei dieser Gelegenheit eine schwere Kontusion am linken Arm erhielt. Von seiner Verwundung genesen, wurde Kolowrat am 6. Juni 1789 zum Oberst und Kommandeur des Infanterie-Regiments Nr. 59 „Langlois“ ernannt, an dessen Spitze er sich in der Schlacht bei Calafat am 26. Juni 1790 besonders auszeichnen und neuen Ruhm erwerben konnte; Als das kaiserlich-österreichische Korps unter Feldzeugmeister Graf Clerfayt gegen die bei Calafat verschanzten osmanischen Truppen vorrückte um diese über die Donau zu werfen und das linke Ufer Dieses Stroms vom Gegner zu säubern, dieser aber trotz einer heftigen Kanonade nicht aus seinen Verschanzungen weichen wollte, wurde ein Bataillon des Regiments Nr. 59, welches Graf Kolowrat-Liebsteinsky kommandierte, zum Sturmangriff beordert. Der Graf setzte sich zu Fuß, mit gezogenem Säbel in der Faust persönlich an der Spitze des Leibbataillons und drang mit gefälltem Bajonett in die feindlichen Schanzen ein, wodurch er maßgeblich zum Sieg des Tages beitrug und für seine Waffentat mit dem Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens (23. Promotion vom 19. Dezember 1790) belohnt wurde.

Wenige Jahre später kam der Graf mit seinem Regiment zu der in den österreichischen Niederlanden (Belgien) aufgestellten k. k. Armee unter dem Feldmarschall Prinzen von Sachsen-Coburg, wo er sich in dem Gefecht bei Cysoing am 22. Oktober 1793, in welchem er den rechten Flügel der Infanterie führte, erneut in ausgezeichneter Weise hervorheben konnte.

Im Dezember 1793 zum Generalmajor befördert, kämpfte Kolowrat die folgenden Jahre als Brigadier am Rhein gegen die Franzosen, wobei ihm im Spätsommer 1796 unter den Augen von Erzherzog Karl erneut eine besondere Waffentat gelang; als dieser nach der siegreichen Schlacht von Würzburg (3. September 1796) bis an die Lahn vordrang, hatte sich die französische Armee unter Jourdan zwar schon auf das rechte Ufer zurückgezogen, hielt aber auf dem diesseitigen linken Ufer unter dem General Marceau immer noch Limburg mit bedeutenden Streitkräften besetzt. Als der Erzherzog nun am 16. September 1796 das Grenadierbataillon Ghenedegg zum Sturm auf Limburg beorderte, stellte sich Graf Kolowrat-Liebsteinsky unerschrocken und tollkühn freiwillig an die Spitze dieses Bataillon, wobei es ihm gelang, sich inmitten des heftigsten Widerstands in der Stadt festzusetzen und verstärkt durch zwei weitere Grenadierbataillone sich den ganzen Tag über gegen einen weit überlegenen Gegner erfolgreich zu behaupten, wodurch es Erzherzog Karl möglich wurde, über die Lahn zu setzen, den Feind am jenseitigen Ufer anzugreifen und in die Flucht zu schlagen. Infolge dieser Waffentat wurde Graf Kolowrat-Liebsteinsky am 28. Februar 1797 zum Feldmarschall-Leutnant befördert und bei der 66. Promotion vom 18. August 1801 mit dem Kommandeurskreuz des Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet.

Zu Beginn des Zweiten Koalitionskrieges kommandierte Kolowrat-Liebsteinsky im Frühjahr 1799 unter Erzherzog Karl bei der k. k. Hauptarmee in Schwaben das Reservekorps, machte mit diesem die Schlachten bei Ostrach (21. März 1799) und Stockach (25. März 1799) mit und diente nach der Ablösung des kaiserlichen Prinzen ab dem 17. März 1800 unter dem neuen Oberbefehlshaber, Feldzeugmeister Freiherr Paul Kray de Krajowa, in gleicher Position auf diesem Kriegsschauplatz.

Während des Frühjahrsfeldzuges von 1800 befehligte Graf Kolowrat-Liebsteinsky in den Schlachten von Engen (3. Mai 1800), Meßkirch (5. Mai 1800) und Biberach (9. Mai 1800) jeweils die Grenadier-Reserve unter Kray und übernahm infolge des unglücklichen Feldzugsverlaufs nach dessen am 26. August per kaiserlichem Handbillet aus Schönbrunn verfügter Enthebung vom Oberbefehl einstweilen als rangältester Feldmarschall-Leutnant interimistisch das Armeekommando, bis am 8. September 1800 der erst 18jährige Kaiserbruder Erzherzog Johann als neuer Oberbefehlshaber der Armee in Deutschland diese Stellung antrat.

Nach Wiederaufnahme der Feinseligkeiten kommandierte Kolowrat das 17 Bataillone und 44 Eskadronen starke Reservekorps „in der Anstellung eines Feldzeugmeisters“ (Siehe Oskar Criste „Feldmarschall Johannes Fürst von Liechtenstein“, Wien 1905, S. 69), er führte dieses als Zentrumskolonne der vorrückenden Armee bestimmte Korps in der Schlacht von Hohenlinden am 3. Dezember 1800, wo er mit seinen Truppen eine vollständige Niederlage erlitt und seine Streitkräfte nahezu vollständig zersprengt wurden. Als Folge dessen wurde Kolowrat-Liebsteinsky bereits den 7. Dezember 1800 von seinem Kommando abberufen und durch Feldmarschall-Leutnant Fürst Johannes von Liechtenstein abgelöst.

Nach dem Frieden von Lunéville in Anerkennung seiner bisherigen Verdienste am 8. Mai 1801 zum Zweiten Inhaber des Infanterie-Regiments Nr. 11 ernannt, wurde er noch im gleichen Jahr zum Adlatus des kommandierenden Generals in Nieder- und Oberösterreich berufen und nahm in dieser Position in den folgenden Jahren auch an der inneren Verwaltung des österreichischen Staates Anteil.

Als in Folge des unglücklichen Verlaufs des Dritten Koalitionskrieges gegen Frankreich die Not Österreichs am größten war, trat Kolowrat-Liebsteinsky am 15. November 1805 - die österreichische Hauptarmee unter dem unglückseligen Mack von Leiberich hatte am 20. Oktober in Ulm vor dem französischen Kaiser kapituliert und Wien war am 14. November in dessen Hände gefallen - in Wilfersdorf in Niederösterreich bei dem mit dem von Kaiser Franz II. mit dem Oberbefehl über das österreichische Truppenkorps betrauten Fürsten Johannes von Liechtenstein ein und erbat sich die Erlaubnis, unter dessen Kommando zu treten; „Freudig überrascht über diesen Entschluss des bedeutend älteren Kameraden, befürwortete Fürst Johannes das Ansuchen auf das wärmste, und Kaiser Franz nahm es mit vorzüglichem Wohlgefallen zur Kenntnis“ (Siehe Oskar Criste „Feldmarschall Johannes Fürst von Liechtenstein“, Wien 1905, S. 85).

Unter dem Kommando des Fürsten Liechtenstein kommandierte Feldmarschall-Leutnant Graf Vincenz Maria von Kolowrat-Liebsteinsky in der Schlacht bei Austerlitz den 2. Dezember 1805 dann die nordöstlich von Pratzen eingesetzte vierte Kolonne (12 Bataillone Russen unter Generalleutnant Miloradowitsch, 15 Bataillone Österreicher) der verbündeten russisch-österreichischen Streitkräfte, konnte aber am Ausgang der Schlacht nicht verhindern (Vgl. hierzu dessen namentliche Erwähnung in Andreas Graf v. Thürheim „Geschichte des k. k. achten Uhlanen-Regiments Erzherzog Ferdinand Maximilian. Von seiner Errichtung 1718 bis August 1860“, Wien 1860, S. 92).

Aufgrund seiner alten Verwundungen und angeschlagenen Gesundheit bald darauf nicht mehr für den aktiven Felddienst verwendbar, wurde Graf Kolowrat-Liebsteinsky im Dezember 1806 zum kommandierenden General in Siebenbürgen ernannt, wurde als solcher am 16. September 1808 zum Feldzeugmeister befördert und entfaltete während des Krieges von 1809 gegen Frankreich in dieser Position eine große Energie in der Aushebung und Aufstellung der Landwehr. Im Januar 1811 als kommandierender General nach Ungarn berufen, entwickelte Kolowrat während des Jahres 1813 auch hier eine große Tätigkeit in der Aufstellung und Mobilisierung der ungarischen Landwehr. Nach Abschluss der Befreiungskriege kam Kolowrat-Liebsteinsky im Mai 1816 als kommandierender General von Böhmen nach Prag, wurde im November 1816 von König Ludwig XVIII. für seine Fürsorge der französischen Kriegsgefangenen in seinem Kommandobereich mit dem Großkreuz der französischen Ehrenlegion ausgezeichnet und wurde im Januar 1823 zum Kapitän der kaiserlichen Trabanten-Leibgarde und der Hofburgwache in Wien ernannt, wo er sein tatenreiches Leben jedoch schon am 7. Dezember 1824, unvermählt geblieben, beschloss.

Feldzeugmeister Vincenz Maria Graf von Kolowrat-Liebsteinsky war k. k. Geheimer Rat, kaiserlicher Kämmerer und seit 1823 Träger des Ordens vom Goldenen Fließ, ferner seit 1819 Großprior des Malteser-Ordens in Böhmen, Mähren, Schlesien, Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain sowie von Januar 1804 bis März 1807 Gesandter des Malteser-Ordens in Österreich am k. k. Hof zu Wien. Er hat während seiner 56-jährigen Dienstzeit viele bedeutende Feldzüge und Schlachten seiner Epoche mitgemacht und ebenso glänzende Beweise seiner unerschrockenen Tapferkeit als auch seines Talents in der Truppenführung gegeben. Mit seinem Neffen, dem österreichischen Staatsminister Franz Anton von Kolowrat-Liebsteinsky (1778-1861), ist die Linie derer von Liebsteinsky im Mannesstamm erloschen.