Feldzeugmeister Graf Latour

Maximilien de LatourMaximilian Graf Baillet de Latour wurde im Jahr 1737 auf dem Stammschloß seiner Familie auf Chateau de Latour bei Virton(Belgien) in den Ardennen geboren. Er entstammte einem sehr alten Adelsgeschlecht, dessen Vorfahren bereits schon im 15. Jahrhundert den Herzögen von Burgund und später der habsburgischen Monarchie in angesehenen Militär- und Zivilwürden dienten. Latour trat 1775 als Fähnrich in das österreichischen Infanterie-Regiment Nr. 14 „Salm-Salm“ ein und wohnte dem gesamten Siebenjährigen Krieg von 1756-1763 bei. Aufgrund seiner glänzenden Tapferkeit wegen, die er in der Schlacht von Kolin (18. Juni 1757) bewies, wurde Latour zum Grenadier-Hauptmann befördert. Latour wurde 1767 Major, 1769 Oberstleutnant und avancierte 1772 zum Oberst des Infanterie-Regiments Nr. 14 „Salm-Salm“.

Im Jahr 1782 zum Generalmajor befördert, wurde Latour 1787 beauftragt nach den österreichischen Niederlanden (heutiges Belgien) abzugehen um die dortigen Unruhen zu dämpfen. Im Jahr 1788 erhielt Latour als Beweis ganz besonderen Zutrauens den Posten eines Landmarschalls der luxemburgischen Stände verliehen. Als 1789 der offene Krieg mit den belgischen Aufständischen ausbrach und nur Luxemburg dem kaiserlichen Haus treu blieb, deckte Graf Latour mit seinen wenigen Truppen und der luxemburgischen Landwehr die Grenzen der Provinz so glücklich, dass alle Angriffe der Aufständischen zurückgewiesen wurden. In Folge der erworbenen Verdienste bei der Verteidigung Luxemburgs wurde ihm von Kaiser Joseph II. (1741-1790) noch im Jahr 1790 die Würde und der Rang des Feldmarschall-Leutnants sowie die Ernennung zum Inhaber des im vorhergehenden Kampfe so bewährten wallonischen Dragoner-Regiments Nr. 31 „Herzog d´Ursel“ (Anmerkung: Generalmajor Wilhelm Herzog d´Ursel, der Inhaber des Regiments seit 1789, resignierte als französischer Untertan in Folge der politischen Verhältnisse auf seine Würden) verliehen. Das Regiment fortan den Namen „Latour“ führend, wurde übrigens ein Jahr später 1791 in ein Chevauxlégers-Regiment umgewandelt, nach der Reform von 1798 jedoch wieder in ein Dragoner-Regiment rückversetzt, als welches es die Nr. 14 erhielt. Schließlich im Jahr 1802 wieder in ein Chevauxlégers-Regiment umgewandelt, wo es die Nr. 4 erhielt. Nachdem er das Kommando aller kaiserlichen Truppen in den österreichischen Niederlanden (Belgien) erhalten hatte, schlug Feldmarschall-Leutnant Graf Baillet de Latour die belgischen Insurgenten in den Gefechten von Ichyppes (18. Mai 1790) und bei Hagne (23. Mai 1790 siegreich in die Flucht. Für seine weiteren Waffentaten im fortdauernden Krieg in den österreichischen Niederlanden erhielt Latour von Kaiser Leopold II. (1747-1792) am 19. Dezember 1790 (23. Promotion) das Ritterkreuz des Maria-Theresien-Ordens verliehen.

Zu Beginn des Ersten Koalitionskrieges im April 1792 stand Feldmarschall-Leutnant Graf Baillet de Latour als Divisionskommandeur in den österreichischen Niederlanden (Belgien) und war dem dortigen Generalstatthalter Feldmarschall Herzog Albert von Sachsen-Teschen unterstellt. Bei Ausbruch der Kampfhandlungen zeichnete sich Latour in den Gefechten von Tournai (29. April 1792) sowie Orchies (15. Juli 1792) aus. Danach nahm er unter Herzog Albert von Sachsen-Teschen an der vom 25. September bis 8. Oktober 1792 ergebnislos bleibenden Belagerung von Lille teil. Nicht mit seiner Division an der unglücklichen Schlacht von Jemappes teilnehmend, lieferte Latour am 6. November 1792 bei Comines, Pont-Rouge, Warneton und Menin hinhaltende Rückzugsgefechte und konnte sich schließlich mit dem Herzog am 13. November 1792 bei Löwen vereinigen. Im Frühjahr 1793 als Kommandeur eines Nebenkorps in der k.k. Hauptarmee unter Feldmarschall Prinz Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld stehend, ging Latour bei Eröffnung des Feldzuges am 1. März 1793, welcher sogleich durch den Sieg Erzherzog Karls bei Aldenhoven gekrönt wurde, bis Geilenkirchen und Palenberg vor, überquerte am 6. März 1793 die Maas bei Roermond und nahm an den siegreichen Gefechten und Schlachten bei Tirlemont (16. März 1793) und Neerwinden (18. März 1793) teil. Vor der erfolgreichen Belagerung der französischen Festung Landrecies (21.-30. April 1794) durch die österreichischen Truppen des Prinzen von Sachsen-Coburg-Saalfeld, ließ der französische General Jourdan Feldmarschall-Leutnant Graf Baillet de Latour, welcher wie es scheint die Belagerungsleitung kommandierte, drohen, dass die erste nach Landrecies hineingeworfene Bombe das Signal der Zerstörung seines Stammschlosses dem Chateau de Latour in den Ardennen sein würde. Graf Baillet de Latour erwiderte: „Der kaiserliche General werde seine Pflicht erfüllen, es möge mit den Besitzungen des Graf Latour auch was immer geschehen!“ Jourdan erfüllte seine Drohung und ließ das Schloß bis auf die Grundmauern niederbrennen. Im Gegenzug erwiderte Latour diese kleinliche Rache Jourdans mit der erfolgreichen Einnahme von Landrecies am 30. April 1794 und seinen erfolgreichen Waffentaten in den Schlachten von Erquelines-Péchant (24. Mai 1794), Trazegnies (Anmerkung: wahrscheinlich ist hiermit die Schlacht von Charleroi-Gosselies am 3. Juni 1794 gemeint), sowie bei Heppignies (24. Juni 1794; in der Zweiten Schlacht von Fleurus), wofür ihn Kaiser Franz II. bei der 34. Promotion am 7. Juli 1794 mit dem Kommandeurskreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens auszeichnete.

Im Feldzug von 1795 kommandierte Feldmarschall-Leutnant Graf Baillet de Latour in der k.k. Oberrhein-Armee unter dem Oberbefehl des Generals der Kavallerie Graf von Wurmser die österreichischen Truppen zwischen Main und Neckar. Hierbei zeichnete er sich besonders bei den Operationen gegen die von der durch die Truppen der französischen Rhein-Mosel-Armee unter General Pichegru besetzte Festung Mannheim aus. Danach vereinigte er sein Korps auf dem linken Rheinufer mit den Truppen der k.k. Haupt- und Reichs-Armee unter Feldmarschall Graf von Clerfayt und schlug mit diesem die Truppen Pichegrus an der Pfrimm (10. November 1795) sowie bei Frankenthal (12. November 1795). Nach dem Rückzug Pichegrus hinter die Queich, erhielt Latour das Kommando über das am Speyer-Bach aufgestellten Observationskorps. Latour schlug Pichegru bei Lingenfeld (20. November 1795) und unterbrach durch Streifzüge bis Zweibrücken und Saarlouis, dessen Verbindung mit der französischen Sambre-Maas-Armee unter Jourdan. Ein Angriff Pichegrus Mitte Dezember 1795 mit dem Versuch diese wiederherzustellen, wurde von Latour am 13. Dezember 1795 bei Kaiserslautern und vom 15.-18. Dezember 1795 von Kaiserslautern bis Trippstadt erfolgreich zurückgeschlagen. Für seine erfolgreiche Waffentaten während der Belagerung Mannheims (19. Oktober bis 22. November 1795) und den siegreichen Schlachten von Frankenthal (14. November 1795) und Oggersheim erhielt Feldmarschall-Leutnant Graf Baillet de Latour bei der 42. Promotion am 11. Mai 1796 das Großkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens verliehen.

Am 4. März 1796 zum Feldzeugmeister befördert, übernahm Latour nach der Abberufung von Feldmarschall Graf von Wurmser als Befehlshaber der k.k. Lombardischen Armee, den Oberbefehl der k.k. Oberrhein-Armee, welche Mitte Juni 1796 67 Bataillone und 97 Eskadronen (rund 66.600 Mann) zählte. Danach kommandierte Feldzeugmeister Graf Baillet de Latour, unter dem Oberbefehl von Erzherzog Karl stehend, die k.k. Oberrhein-Armee, focht dann unter dem Erzherzog bei Malsch (9. Juli 1796) und Neresheim (11. August 1796). Nach dem Abzug des Erzherzog nach Norden, um dort die Gefahr gegen die erfolgreich der böhmischen Grenze vorstoßenden französischen Sambre-Maas-Armee Jourdans abzuwenden, mit einem „Schrumpfkorps“ (28 ½ Bataillone und 53 Eskadronen, zusammen ca. 35.300 Mann) der k.k. Oberrhein-Armee am Lech zurückgelassen um dort die Übergänge der vorstoßenden französischen Rhein-Mosel-Armee Moreaus abzuwehren. Von Moreau bei Friedberg am Lech (24. August 1796) geschlagen, zog sich Latour nach Landshut an der Isar zurück, um dort die weiteren Bewegungen der französischen Armee abzuwarten. Nach kleineren Gefechten (u.a. bei Geissenfeld am 1. September 1796) zog sich Moreau nach der Niederlage seines Kollegen Jourdan bei Würzburg (2. September 1796) schleunigst an den Rhein zurück. Der ihn verfolgende Latour wurde in der Ersten Schlacht von Biberach (2. Oktober 1796) in einem überraschenden Gegenangriff unter schweren Verlusten geschlagen, konnte aber dennoch am 17. Oktober 1796 bei Mahlberg mit dem vom Niederrhein siegreich heruntergezogenen Erzherzog Karl vereinigen. Feldzeugmeister Graf Baillet de Latour kommandierte unter dem Erzherzog in den siegreichen Schlachten von Emmendingen (19. Oktober 1796) und Schliengen (24. Oktober 1796) und erhielt von diesem die Belagerungsleitung des französischen Brückenkopfs von Kehl übertragen, welcher am 9. Januar 1797 schließlich kapitulierte. Im Frühjahr 1797 nach Erzherzog Karls Abmarsch nach Oberitalien zum Oberbefehlshaber der zu einer Rhein-Armee zusammengezogenen Truppen (119.500 Mann stark). Am 29. November 1797 unterzeichnete Feldzeugmeister Graf Baillet de Latour mit Napoleon Bonaparte die Militärkonvention welche die Abtretung der venetianischen Provinzen an Österreich enthielt.

Im Jahr 1798 wurde Latour zum kommandierenden General in Mähren und Österreichisch-Schlesien ernannt, sowie zum geheimen Rat erhoben. Sechs Jahre später wurde er von Kaiser Franz I. 1804 zum Hofkriegsrats-Präsidenten ernannt. Die großen Anstrengungen im Dienste zur Zeit des Jahres 1805, der Gram über die Unglücksfälle in diesem Feldzug und der Schmerz über den Verlust seiner Ehefrau erschöpften seine Kräfte. Immer noch Präsident des Hofkriegsrats verstarb Latour im treusten Dienste für seinen Kaiser am 22. Juli 1806 in Wien. Auf allerhöchsten Befehl wurde ein offizieller Artikel in der damaligen Wiener Zeitung eingerückt, worin unter anderem Vorkam: „Sein Charakter und seine in unseren Tagen immer seltener werdenden Tugenden gehörten einem besseren Jahrhundert an. Eine über allen Eigennutz erhabene Seele, unbestechbare Redlichkeit, unerschütterliche Anhänglichkeit an die Person und das Interesse seines Monarchen, das strengste und reinste Pflichtgefühl, fester und ausdauernder Wille zur Beförderung des Guten, rastlose Tätigkeiten in Geschäften und ein glühender Eifer für den Dienst, werden dem Vaterland sein Andenken auf immer ehrwürdig und teuer machen. Im Leben von Vielen verkannt, nach dem Tode von Allen bewundert und betrauert, wird der Name Latour in den Jahrbüchern Österreichs stets einen der ehrenvollsten und ausgezeichnetsten Plätze behaupten.“

Die Beurteilung über Latour ist schwer. Er hatte sich schon im Siebenjährigen Krieg und im Kampf gegen die aufständischen österreichischen Niederlande als sehr treuer Untertan des österreichischen Kaisers erwiesen. Über seine Tapferkeit gab es nur eine Stimme: „Er hatte die Bravour eines Grenadiers!“ sagte später ein Gegner von ihm. Trotzdem darf ihm eine all zu große Vorsicht nicht abgesprochen werden! Auch ließ er sich von seiner Umgebung nicht immer glücklich beeinflussen. Erzherzog Karl schrieb an seinen Bruder Kaiser Franz II. einmal: „Du weißt dass Latour ein braver Mann, aber ohne Kopf und Nachmittag nicht zu Hause ist“. Graf Dietrichstein schrieb einmal über Latour: „Man kann ihm nie ein Kommando anvertrauen. Denn er ist jeden Nachmittag benebelt und jeden Abend betrunken!“ Trotz all dieser Kritik war Latour ein unerschütterlicher Anhänger des Kaisers und diente mit seinem ganzen Leben dem Interesse der Donaumonarchie. Er war selber ein tapferer und ausgezeichneter Soldat welcher leider gerne und unnötig seine Truppen verzettelte.