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Franz. Armee
Abschnitt I

Der Schalg, der die Bastille traf, hatte auch die Kriegszucht in Frankreich vernichtet. Die, die sie bey den alten Regimentern aufrecht gehalten hatten, Staabs- wie Subaltern-Offiziere, waren durch den Revolutionsgeist der Untergeordneten aus ihnen vertrieben worden. Mit der Disciplin war die Taktik verschwunden, weil diese ohne jene nicht statt haben kann. In den neuaufgestandenen Corps war diese Wissenschaft nicht einmal dem Nahmen nach bekannt, denn jene Sergeanten, Corporale und Gefreite, die sich plötzlich durch Stimm’ und Wahl zu Offizieren und Generalen erhoben sahen, wie hätten sie Menschen in Bewegung setzen wollen, da sie nicht zu befehlen verstanden?

In dieser Verfassung traf der Krieg die französische Armee an. Eine solche Armee konnte sich nicht einem disciplinirten und Waffengeübten Heere gegenüberstellen. Die ersten Kriegsversuche der Franzosen bestanden in Niederlagen und ordnungslosen Rückzügen. Der bloße Anblick der schwachen österreichischen Detaschements bei Mons und Tournai im Jahre 1792 war hinreichend, um die französischen Heer-Colonnen unter Biron und Theobald Dillon zu zerstreuen. Es war durchaus nöthig, eine neue Art des Kriegsführens aufzufinden und neue taktische Hülfsmittel zu ersinnen. Was man zuerst einsah, war die Nothwendigkeit, jede regelmäßige Schlacht zu vermeiden, weil dazu nur eine durch Kriegszucht regelmäßig bewegbare Armee fähig ist; und man nahm die Maxime an: den großen Krieg, in welchen ein in allen seinen Theilen durch Mangel an Ordnung und Zucht, unzusammenhängendes Heer, wie das französische, sich nicht einlassen konnte, in eine Reihe kleiner, einzelner Gefechte zu verwandeln. Dies war der Wunsch der ganzen Armee; Offiziere und Soldaten wiederhohlten ihn oft und laut, und forderten seine Erfüllung, als für das Heil des Ganzen unerläßlich.

Das Terrain der ersten Kriegsauftritte, wo den Franzosen am glücklichen Erfolge alles lag, begünstigte die aufgestellte Maxime: und in Champagne fand sie zuerst ihre Anwendung. Die Franzosen vermieden unablässig mit der disciplinirten und waffengeübten Armee des Königs von Preußen in den Ebenen dieser Provinz zusammenzutreffen. Eines Tages hatten zwölfhundert preußische Husaren den Vortrab Dümouriez’s berührt, und seine ganze Armee war für mehrere Tage nicht zum Stehen zu bringen. Das durchschnittene Terrain bei Grandpré und Clermont war dasjenige, worauf die Franzosen zu agiren wagen konnten, und mit Recht sagte Dümouriez von den Clermontschen Engpässen: da ist das Thermopylä Frankreichs. Der Vorfall bei Valmy, wenn er gleich die Preußen zum Rückzuge bestimmte, und so viel Artillerie sich auch dort hören ließ, wird nie in den Geschichtsbüchern der Kriegskunst für etwas anders als ein Postengefecht gelten. Diese Gefechte wiederhohlt, lehrten den Postenkrieg, welcher sich in den Alpen- und Pyrenäengebürgen ausbildete.

Die Geschichte der Revolution bietet auch die Geschichte der fortschreitenden Entwicklung des neuen taktischen Systems dar; dieses ist das Kind der Revolution. Sie lieferte Menschen in grenzenlosem Ueberfluß: bald waren es Nationalgarden-Bataillons, Auxiliar-Bataillons, Föderirten-Bataillons; bald war es Aufstand in Masse, Requisition, Conscription; allenthalben Streiter, die unter so vielerlei Benennungen und mit solcher Schnelligkeit hervorgehn, daß man sie anzubringen verlegen ist. So trat die Nothwendigkeit ein, ein Kriegssystem aufzustellen, welches die Ueberzahl zur Grundlage hatte. Den Feind durch ununterbrochene einzelne Gefechte bestürmen, ihn unaufhörlich necken, unablässig tirailliren und durch ein unregelmäßiges Feuer ängstigen, das war die beste Art, von der Ueberzahl Gebrauch zu machen. Eine dadurch immer frische Armee, daß ihre Streiter sich unaufhörlich ablösen und erneuern, mußte durchaus bei einem Kriege dieser Art Vortheile über diejenige erhalten, welche Menschen schont, weil es ihr darin gebricht. Der französische Soldat gewann bei dieser Verfahrensweise Zutrauen in seine Kräfte und bildete sich für den Krieg in der besten Schule, der der Erfahrung.

Die Mäßigung in den politischen Grundsätzen hatte in Frankreich mit den ersten erhaltenen Kriegsvortheilen aufgehört. Man begnügte sich nicht mehr damit, sich innerhalb der Grenzen zu vertheidigen, sondern man ließ von der Rednerbühne herab erschallen: man wolle die Revolution in das Herz aller Staaten tragen, alle Thronen erschüttern, und die ganze Welt in Aufruhr setzen. Den ersten Angriffsversuch machte Dümouriez. Aus Champagne ging er die österreichischen Niederlande zu erobern. Das Gefecht, welches er bei Mons lieferte, hatte von einer regelmäßigen Schlacht nur die Touren. Die Franzosen siegten, weil sie durch einzelne Gefechte einzelne Puncte überwältigten, nehmlich, die Verschanzungen bei dem Dorfe Jemappes, weil sie mittelst einer ungeheuern Armee alle Puncte auf en Mal bedrohten, und ein Corps von ohngefähr zwanzigtausend Mann mit einem Heere, das gegen achtzigtausend Streiter zählte, umfing. Der Einfall in Mainz war gleichfalls das Werk der Ueberzahl, und eben dieselbe Ueberlegenheit entschied in Savoyen. Diese gelungenen Versuche waren wegen der Folgerungen, die man daraus zu Gunsten des neu aufzuführenden Kriegs-Systems herleitete, wichtig, denn sie hatten durch die That die Möglichkeit bewiesen, durch die Zahl den Mangel an Unterricht in der Manövrirkunst zu ersetzen, zugleich hatten sie die Art des Dienstes, welche für die Franzosen anzunehmen war, kenntlich gemacht. In demselben Feldzuge hätte dieses neue System sie bis an den Rhein geführt, hätten nicht die Händel, welche Dümouriez mit den Comités und Klubs hatte, es verhindert.

Die Unglücksfälle, welche im J. 1793 nach dem Uebergange dieses Generals statt hatten, machten durchaus keine Aenderung in der Verfahrensweise, im Gegentheil sie verschafften ihr Ausdehnung und Festigkeit. Die äußeren Gefahren vervielfältigten die Widerstandsmittel und die Anstrengungen, welche die Revolution an die Hand gab. Der erste Feldzug hatte aus Versuchen bestanden, der folgende sollte systematisch geführt werden. Die Lehren, die die neuesten Erfahrungen gegeben, wurden benutzt, und auf die, von der starken, wie von der schwachen Seite der Franzosen, erlangte Kenntniß ward eine Kriegsweise gegründet, welche in der Folge alle Systeme verändert hat. Man kann sich keine richtigere Vorstellung von dieser Kriegsweise, und von den Motiven, welche ihre Annahme bewürkte, machen, als wenn man einen Blick auf die öffentlichen Verhandlungen wirft, welche bey ihrer Begründung statt hatten.

In den letzten Tagen des Januars 1793 rief der Heilsausschuß einen General, der unter dem damals gestürzten Königthum gedient hatte, aus seiner Einsamkeit hervor und befragte ihn, was für ein Kriegssystem in dem damals so kritischen Zeitpunkte anzunehmen wäre? “Die Zahl der Streitenden, sagte dieser General in seinem Bericht an den Ausschuß, muß verdoppelt werden, so daß man, ohne gezwungen zu seyn die wahrscheinlichen Einbüßungen auf der Stelle zu ergänzen, die Menge den Anstrengungen der Kunst engegensetzen könne. Das einfachste Mittel, diesen Zweck zu erreichen, ist, daß man den Krieg in Masse führt; das heißt, daß man auf allen Angriffspunkten die größtmögliche Menge Mannschaft und Artillerie aufstellt; daß man den Generalen als die heiligste Pflicht vorschreibt, stets an der Spitze der Soldaten zu fechten, um ihnen en Beispiel von Muth und Hingebung vorzuhalten, daß man sie gewöhne niemals die Zahl der Feinde zu zählen, sondern sie mit aufgepflanztem Bayonette feurig anzugreifen, ohne sich lange bey dem Schießen oder Manövriren aufzuhalten, denn unsre Soldaten, wie sie gegenwärtig sind, sind dazu nicht genug geübt, ja sind nicht einmal auf das geringste dazu vorbereitet. Diese Art Krieg zu führen, welche so ganz dem Charakter der Gewandtheit und der Lebhaftigkeit der französischen Nation angemessen ist, muß ihr unfehlbar den Sieg zusichern, weil sie die fremden Armeen durch ihre Neuheit aus der Fassung bringen wird.”

So konnte nur ein Mann sprechen, der mit seinen Landsleuten und mit seinem Handwerk gleich vertraut war. Die aufgestellten Ansichten erhielten ganz den Beifall, den sie wegen ihrer Richtigkeit verdienten; das Aufgeboth in Masse stand da, um sie in Anwendung zu bringen, und hierzu bekam den Auftrag das Talent. Im Kriegsausschuß der neuen Regierung, wovon Carnot die Seele war, hatte es seinen Sitz. Nichts Kleinliches ward hier gedacht, nichts ergriffen, was nicht außerordentlich wie die Zeitumstände, riesenhaft wie die Absichten und Plane, die sie eingaben, gewesen wäre. Carnot ward gewahr, daß man sich der taktischen Details, bis dahin in den Armeen gewöhnlich, überheben müßte, weil man sie nicht besaß und zu ihrer Erlernung nicht Zeit hatte; diesem genialischen Kopf leuchtete die kühne Idee vor, daß man sich jener Details überheben könnte, wenn man sie durch eine Taktik höherer Gattung ersetzte. Er erschuf eine Kunst der Kriegsschauplätze an die Stelle der Kunst der Schlachtfelder; er setzte eine hohe Taktik [Fußnote des Werkes: Mit diesem Nahmen werden wir das belegen, was von andern Schriftstellern Strategie genannt wird.] an die Stelle der kleinen. Hier mußten Corps aus Menschen gebildet werden, die nie ein Gewehr losgebrannt; hier mußten Bataillons ins Feld geschickt werden, die nie exercirt hatten; Armeen mußten aus Regimentern gebildet werden, bei denen Bataillons- und Peletonfeuer unerhörte Rahmen waren. Statt zu unterrichten war hier zu handeln. Das Ausüben mußte die Theorie überflüssig machen, und der Soldat mußte, durch die Nothwendigkeit sich zu vertheidigen gezwungen, in seinem eignen natürlichen Verstande, die Mittel dazu finden. Die ersten Versuche hatten diese Art von Unterricht bewährt erwiesen. Für diese Anfänger, die nun als Soldaten auftraten, gehörte eine Taktik, die sich außerhalb dem Blick des Feindes entfaltete, eine sich immerfort verändernde Taktik, welche ihm nicht die Zeit ließe, sich seiner Manövrirfertigkeiten an fester Stelle zu bedienen. Das Loos der Gefechte sollte nun nicht mehr von der Ausübung einer Schul-Evolution, nicht von der Abgemessenheit eines Schritts, und der Genauigkeit einer Exercir-Bewegung abhängen. Die Ansichten hatten sich mit den Zwecken, die man erreichen wollte, erweitert; es war beschlossen: Die Revolution sollte den ganzen Erdball durchziehen. Man wollte nicht mehr bloß Schlachten gewinnen, sondern Völker fortreissen und unterwerfen; nicht mehr, bloß Schlachtfelder streitig machen, oder behaupten, sondern ganze Länder überschwemmen und Staaten fortwälzen. Die Zeiten, wo es auf die Eroberung einer Stadt oder Provinz ankam, waren vorüber. In einem Kriegssystem höherer Ordnung und größeren Maaßstabes war die erste aufzulösende Aufgabe: Wie die Anzahl zu benutzen sey, und wie man den großen Menschenmassen größere Räume, zu ihrer Bewegung und Entfaltung anzuweisen hätte? Bloß die Erkenntniß, daß für neue Kräfte die alten Rahmen nicht zureichten, war mehr als das Werk der Alltäglichkeit. Und die neue Kunst, von der Volksmenge eine nützliche Anwendung zu machen, war wohl als Erfindung eben so groß, als die bisher geübte aus einer beschränkten Anzahl gehörigen Nutzen zu ziehen. Das zweckmäßige Neue ist immer das Werk des Genies.

Von jeher besaß Frankreich die geschicktesten Ingenieure, und die zu ihrer Kunst gehörigen Hülfswissenschaften waren auf einen hohen Grad ausgebildet. Im Kriegsdepot befand sich eine Sammlung von Charten, Planen, topographischen Beschreibungen und Notizen, wie nirgends eine vorhanden war. Sie war das Resultat von dreyßigjährigem Nachsuchen und Fleiß, und die Genauigkeit, mit welcher die Oberfläche der Länder dort vorgestellt war, erstreckte sich etwa nicht bloß auf die großen physiognomischen Züge des natürlichen Bodens, wie Berge und Flüsse, sondern oft umfaßte sie auch die kleineren Bestimmungen, welche der Gewerbfleiß der Menschen hinzugefügt hatte, bis auf Nebenwege und Fußsteige. Die talentvollen Männer, welcher im Rath der neuen Regierung saßen, wußten diese herrlichen Schätze zu benutzen, und Carnot, selbst Ingenieur, gründete auf sie die größten militärischen Conceptionen. Es ward beschlossen, daß die Anwendung der Wissenschaften des Jahrhunderts auf die Kriegskunst die künftige hohe Taktik charakterisiren sollte. Das Studium der Geographie, der Topographie, selbst der Geognosie, die besondere Kenntniß des Laufs der Flüsse und der Wasserrichtungen, der Abdachungen der Terrainsflächen, der Lage und des Baues der Berge, der Richtung ihrer Aeste und des Zusammenhanges derselben unter einander, die Kenntniß der Wasser- und Berg-Bassins, der Communicationsmittel aller Art auf der Erdoberfläche, so wie die natürlichen und künstlichen Erzeugnisse aller Länder, alles das ward herbeigerufen, um das neue Kriegssystem zu unterstützen. Die Gründer desselben, auf die Welteroberung sinnend, sahen als das Feld ihrer Combinationen die ganze Erde an; es schien ihnen, als wenn die Oberfläche derselben sie zu Kriegsthaten aufforderte. Sie studierten sie, um sie in Schlachtfelder einzutheilen, und um die militärischen Positionen auf derselben anzuzeichnen. Diese Thäler und diese Höhen, diese Flüsse und Seen, diese Gebirge und Klüfte waren, nach ihrem Bedünken von der Natur hervorgebracht, um ihnen die Plane zu den Kriegesunternehmungen, mit welchen sie umgingen, vorzuzeichnen. So treiben Eroberer das Studium der Natur! Sobald das Mittel gefunden war, die Vertheilung der Menschen mit den topographischen Naturvertheidigungen der Länder in Verbindung zu setzen, so war die Auflösung der ersten Aufgabe gefunden: Die Menge, das erste Bestandtheil des neuen Systems, war nützlich gemacht.

Die Revolution, welche die Armeen zahlreich machte, machte sie auch leicht. Wegen der Schnelligkeit, mit welcher sie gehoben wurden, und wegen ihrer Größe, wurden die Vorbereitungs-Maaßregeln entweder unzulänglich oder unmöglich. Die Verproviantirungen und Equipirungen aller Art waren mangelhaft: die Abwesenheit alles Vorhersehens, der Charakter der Revolutionen, ward besonders der der Verwaltung der Armee. Es war eine Zeit, wo man den Corps Compagnieen Drescher, mit Flegeln bewaffnet, nachziehen ließ, um das zum Unterhalt der Soldaten nöthige Getraide auszudreschen; so überhob man sich den Proviant transportiren zu lassen. Statt Kleidungsstücke in Magazinen aufzuhäufen, setzte man alle Zeuge der Kaufmannsläden in Requisition, ohne auf Farbe und Beschaffenheit Rücksicht zu nehmen. Der junge Requisitionnär, sobald er das Gewehr zu tragen bezeichnet war, war auch Soldat; ohne Unterhaltungsmittel und Kleidungsstücke, ohne Verzierung und Zustutz, bis auf das Gewehr, mit nichts Gleichförmigem weder der Form, noch der Farbe nach, versehen, ging er zur Armee. Sobald er im Felde war, sah er sich oft seiner eignen Fürsorge überlassen. Der Infanterist war eine Art von Fuß-Kosak. Sein Dienst und seine Lebensart waren die des Jägers. Ohne Zelte, ohne Gepäck, oft ohne Lebensmittel, fast immer ohne Kleidung und Schuhwerk, ohne abgestochenes Lager, unter freiem Himmel liegend Tag und Nacht, nahm der Infanterist die Gewohnheiten und Sitten des leichten Parteigängers an. Lebensmittel, Bekleidung, Sold, nichts erwartete er regelmäßig; in der Hoffnung, der kommende Augenblick werde ihm verschaffen, was im gegenwärtigen ihm fehlte, stets im Gedränge mit dem Bedürfniß, wie die Regierung, die ihn in Bewegung setzte, erwartete er alles vom Glück. Der wesentlichen Gegenstände ermangelnd, gewöhnte der französische Soldat sich an Entbehrungen, und glaubte eine der ersten Pflichten seines Standes zu erfüllen, wenn er sie ertrüge. Uebrigens, was die Zeitumstände zu ertragen geboten, ward als die Aeußerung republikanischer Tugend gepredigt, und dem Mißvergnügten schloß der Schrecken den Mund. Was in jedem andern Lande für ungestalte Anhäufungen von Rekruten wäre angesehen worden, galt in Frankreich für Armeen. Diese Armeen waren nur leicht hingeworfen, aber sie waren auch leicht zu bewegen, und mit so leichten Heeren ließ sich eine leichte Taktik durchsetzen!

Was vorzüglich die französische Armee leicht machte, war das neue Verpflegungssystem, eine Folge des neuen Verwaltungssystems. Jene Züge von Wagen und Gepäcke, welche im modernen Kriege die taktischen Bewegungen am meisten behindert hatten; diese zweyten Heere, schwerer zu bewegen als die ersten, und ausgedehnter als sie, waren bis aufs Unbeträchtliche zurückgebracht, weil man die schwere Kunst, die Vorräthe mitzuführen, in den leichten Behelf sie unterwegs mitzunehmen, verwandelt hatte. Ehemals folgten die Lebensmittel den Armeen, heut zu Tage müssen sie ihnen entgegen kommen, und was sonst Pferde fortgezogen hatten, muß der Infanterist jetzt tragen, oder entbehren. Die Würkung der neuen Verfahrensart ist nicht zu berechnen, denn, wenn bei dem alten System eine Armee sich schwächte, je weiter sie sich von ihrer Heimath entfernte, so vermehrte sie, nach der neuen Weise, ihre Kräfte, je weiter sie ins fremde Land vorrückte, weil alle Hülfsmittel, die sie auf ihrem Wege fand, sie zu vermehren beitrugen.

Dieser zweyte Charakter des neuen Kriegssystems, die Leichtigkeit, hatte natürlich den dritten zur Folge: Geschwindigkeit der Bewegung. Man konnte einer so leichten Armee eine größere Beweglichkeit geben, und so ward die Dauer der Operationen im Verhältniß der erlangten Beweglichkeit vermindert. Da die Franzosen ihre Unternehmungen an die großen topographischen Vorzeichnungen, welche die Erdoberfläche darbietet, knüpften, so verfuhren sie immer nach dem colossalen Maaßstabe, und mit der bizarren Geschwindigkeit, welche diese ihnen darboten. Die Abstände, in welchen sie würkten, waren ungeheuer, denn da waren bald unzugängliche Berge zu umgehen, andere zu besetzen, Teiche und Seen zu vermeiden, Flüsse zu erreichen. Wenn man diese neuen Taktiker beobachtete, so schien das Anschwellen der Gewässer, das Schmelzen des Schnees, das Stürzen der Bergströme sie zu treiben. Um den Jahrszeiten und den Naturveränderungen, die sie begleiteten, zuvorzukommen, werden Berge, Flüsse, Klüfte überwunden, und Linien werden beschrieben, deren Größe außer aller Berechnung zu liegen scheint.

Aber diese Eigenschaften der Armee wären unbenutzt geblieben, wenn sie nicht durch den Nachdruck der Operationen in Anwendung gebracht worden wären. Dieser Nachdruck macht den vierten charakteristischen Zug der französischen Armee aus. Er ward ihr durch die Generale, die ihre Führung erhielten, mitgetheilt. Die Revolution, welche viele Menschen von ihrer Stelle gebracht hatte, hatte andere an diejenige gesetzt, die ihnen gehörte, und an welche sie, ohne sie, nie gekommen wären. Advokaten, Kaufleute und Handwerker, verabschiedete Sergeanten und Corporale, traten an die Spitze der Armeen. Die Ereignisse entwickelten ihre Talente, und genehmigten oder widerriefen ihre Wahl. Wenn Tausende dieser Generale verschwunden sind, ohne von sich eine Spur zu hinterlassen, so haben die Moreau’s, Pichegrü’s, Hoche’s, Massena’s, Berthier’s, Macdonald’s, Brüne’s, Championnet’s, Lannes und andere ihre Namen der Geschichte überliefert. Und sie muß ihnen jene moralische Kraft, mit welcher sie ihre Sache unterstützten, sowohl als die Talente, die sie gezeigt haben, zum Verdienst anrechnen, weil nur durch Charakter, die glücklichen Erfolge, die das Talent vorbereitet, zur Würklichkeit kommen. Anrechnen muß sie ihnen jene Kühnheit, welche dem Zufall seinen Antheil an den Unternehmungen zu geben weiß, und welche, was an Kenntnissen fehlt, durch ein gewisses Vertrauen in das Glück zu ersetzen versteht, welches der Tapferkeit als Instinkt vorangeht. Diese Generale vertheidigten die Revolution, der sie ihr Daseyn verdankten, mit einer Hingebung, die nur den Tod zur Grenze hatte. Mit dem System verselbstständigt, dessen Absichten sie ausführten, wendeten sie jedes Mal alle Mittel, die zum Zweck führten, an, vernachlässigten ihres keines und erschöpften alle Hülfsquellen bis auf den Grund. Jedes Mal alles auf’s Spiel setzend, bereiteten sie sich immer die Möglichkeit alles zu gewinnen, weil sie alles zu verlieren entschlossen waren. Jedes Gefecht lieferten sie, als wenn es entscheidend werden sollte, jede Kraftäußerung, als wenn sie die letzte wäre. Diese Generale, alle im kraftvollen Alter, wo der Mann den Gegenstand, den er ergreift, mit Lebhaftigkeit, Geschmeidigkeit und Energie verfolgt, elektrisirten jene zahlreiche, leichte, schnell bewegliche Armee durch ihr kräftiges Wollen, welches alle Hindernisse niedergebeugt, weil es sich mit keinem in der Güte abfindet. So entstand jener Einklang der Absichten, der Willensrichtungen und der Anstrengungen, durch welche der Nachdruck der Operationen des neuen Systems so furchtbar und so entscheidend war.