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Preuß. Husaren 1812
Abschnitt II

Nach einer uns ganz ungewohnt gewordenen Ruhe von 11 Tagen wurden wir am 12. August mit dem Befehl, so eilig wie möglich aufzubrechen, sehr überrascht; Jeder hatte sich hier ziemlich wohnlich eingerichtet, und es währte einige Stunden, bevor wir unsere kleinen Wagen bepackt hatten und wirklich zum Abmarsch fertig waren.

Der nächste Weg auf Smolensk ging durch Porietschie und dann durch einen mehrere Meilen langen Wald; allein diese Straße schlugen wir nicht ein, sondern marschirten ganz rechts nach Krasnoy.

Mehrere Meilen von Porietschie entfernt, gelangten wir in ein Städtchen, größtentheils nur von Juden bewohnt, wo unser Eintreffen wahrscheinlich so bald nicht erwartet worden war; die meisten Einwohner fanden wir anwesend, und da wir an Allem Mangel litten, war uns der Genuß des zwar sehr groben Brotes und einiger ordentlich gekochten Speisen sehr erfreulich. Wir blieben hier die Nacht, und durch Zufall fanden wir in einer fest verrammelten Stube eine bedeutende Quantität Kaffee, Rauchtabak und kleine hölzerne Tabakspfeifen; letztere beglückten uns außerordentlich, denn seit sechs Wochen hatten wir des Tabakrauchens entbehren müssen.

Bei Rosminsky passirten wir am 14. August den Dnieper auf der in Eile geschlagenen Brücke, und gingen gegen Liady vor. Am 15ten mußten wir auf dem Marsch gegen Krasnoy viel Staub und Hitze leiden; die Kolonnen waren ganz in Staub eingehüllt, so daß man kaum seinen Nebenmann erkennen konnte; der Durst veranlaßte, daß bei jedem kleinen Bach eine Menge Leute zurückblieben, um Wasser zu schöpfen, wobei durch das Nachjagen die Pferde sehr litten. An dem diesen Tag stattgefunden Gefechte bei Krasnoy nahm das Regiment keinen Antheil; wir bivouakirten aber auf dem Schlachtfelde, wo wir des Abends sehr spät eintrafen, und als ich am nächsten Morgen meinen Schlafplatz näher besichtige, fand ich, daß zu meinem Kopfkissen ein todter Russe gedient hatte.

Den 16. August trafen wir vor Smolensk ein; viele Armeekorps konzentrirten sich an diesem Tage hier, und am Abend war die ganze Umgegend zwischen den Straßen von Krasnoy und Mstislawe mit Bivouakfeuern bedeckt. Am folgenden Morgen fand ich bei meinen Pferden einen Zuwachs von einem kleinen Bauerpferde, was, wahrscheinlich in der Nacht entlaufen, sich, hier eingefunden hatte; Niemand kam es zurückzufordern, und so behielt ich dies Pferd, was mir später für meinen Burschen gute Dienste that. Am 17. August begann die Schlacht, unsere Division stand Anfangs neben der Straße von Mstislawe, kam daher nicht in’s Gefecht, weil nur Artillerie und Infanterie in Thätigkeit waren. - Gegen Mittag war Napoleon auf der Straße von Mstislawe, eine Viertelmeile von Smolensk, abgesessen, um das Gefecht von hier aus zu beobachten; sein ganzer Generalstab umgab ihn, zwei Eskadrons seiner Leibwache (französische Chasseurs und polnische Ulanen) standen hundert Schritt hinter ihm aufmarschirt. Auf einem ausgebreiteten großen Bärenfell stand Napoleon, neben demselben der König von Neapel mit abgenommenen Hut; nachdem sie Mehreres mit einander gesprochen hatten, ließ sich Napoleon durch seinen Leibmamelucken einen silbernen Becher voll Wein gießen, den ihm aber der König von Neapel überreichte und auch wieder abnahm, als der Kaiser getrunken hatte, und dem Rustan übergab. Ueberhaupt naheten sich ihm seine ersten Marschälle nur mit der tiefsten Unterwürfigkeit und die größte Stille herrschte in seiner Umgebung. - Nachdem der Fürst Poniatowski mit der polnischen Armee angekommen war, rückte derselbe ganz rechts von Smolensk, dicht am Ufer des Dnieper vor; unsere Division folgte dieser Bewegung. Eine starke Kanonade hatte schon längst begonnen, doch jetzt übertönte der ungeheure Kanonendonner das Kleinegewehrfeuer, daß der Erdboden erzitterte; mehrere Stunden standen wir hier, und einige Kanonenkugeln erreichten auch unsere Glieder, wir verloren drei Pferde und ein Mann ward blessirt. - Die Schlacht dauerte bis in die späte Nacht hinein, endlich, als es ganz finster geworden war, bezogen wir den Bivouak auf derselben Stelle, wo wir den ganzen Nachmittag über gestanden hatten. - In der Nacht hatten die Russen Smolensk geräumt und sich über den Dnieper zurückgezogen. Am Nachmittage den 18. August gingen wir vor, passirten den Dnieper und theils auf in Eil gelegten Bohlen, theils auch neben denselben, den tiefen Sumpf zur Vorstadt. Letztere war am vorigen Tage durch Kanonenfeuer abgebrannt; wir fanden eine große Menge verbrannter Menschen liegen, wahrscheinlich früher Blessirte, die man nicht hatte weiter transportiren können.

Wir bezogen einen Bivouak dicht hinter dieser Vorstadt am Ufer des Dnieper. Den 19. August wurde sehr früh Alles zum Abmarsch fertig gehalten; nach einer Stunden marschirten wir auch ab, doch nahm das Regiment an dem an diesem Tage stattfindenden blutigen Gefecht bei Walutina-Gora weiter keinen Antheil, indem es nur zur Deckung bei dem Uebergange einer Brücke aufgestellt ward. Napoleon kam bei uns vorbei, um von einer Höhe die Angriffe zu leiten.

Den 20sten und 21sten fanden kleine Vorpostengefechte statt; am letzteren Tage wurde der Premier-Lieutenant v. Quitzow am Fuß schwer blessirt und zurückgebracht, wir hatten überdem 6 Mann 15 Pferde todt und 6 Mann blessirt. Am 22. August durchritten wir abermals den Dnieper bei Stopnewa, fochten gegen die feindliche Arriergarde und retteten am 23. August eine französische Batterie, die von feindlicher Kavallerie bereits umringt war. Der Lieutenant v. Borcke wurde an diesem Tage von einer Paßkugel am rechten Fuß blessirt und sein Pferd todtgeschossen, 5 Mann 3 Pferde waren ebenfalls blessirt worden. Den 25. August passirte das Regiment Dorogobusch auf dem Wege nach Rupky. Der Lieutenant v. Manteuffel kam zur Dienstleistung beim General Roussel und löste den Lieut. v. Kalckreuth ab; doch nach einigen Tagen wurde der Lieutenant v. Lemcke zum General Roussel kommandirt. - Ein kleines Vorpostengefecht, welches das Regiment am 26. August bestand, verursachte keinen Verlust.

Auf dem Marsch am 27. August hatten wir gegen Mittag einen Fichtenwald passirt, als vor unserer Front ein Bach mit breitem und sumpfigem Wiesenrande floß; einige hundert Schritte rechts lag eine Wassermühle an demselben, die hölzerne Brücke bei der Mühle war aber zerstört. Der Feind hatte die große Straße stark besetzt, und unsere Division erhielt den Befehl, des Feindes linke Flanke zu umgehen und das Defilee bei der Wassermühle zu passiren. Nur zu Dreien konnte der tiefe Mühlgraben durchritten werden; unsere Pferde sanken bis an den Bauch in Moor und Sumpf, und durch die viele Kavallerie, die uns nachfolgte, wurde es noch immer schwieriger durchzukommen. Jenseits dieses Baches war ein Raum von ungefähr 800 Schritt im Quadrat ganz frei von Wald, dann aber wieder alles Terrain mit dichten Fichten bewachsen, so daß man nicht weit sehen konnte. - Sobald die Regimenter, ohne vom Feinde gehindert zu werden, dies Defilee endlich passirt hatten, marschirten sie in ganzer Front auf und rückten gegen die flankirenden Kosaken vor. Außer unserer Divisiion von 7 Regimentern war noch die Kavallerie-Division von Grouchy dort aufmarschirt; die Regimenter standen daher auf diesem kleinen Platz eng hinter und neben einander. - Vom 16ten Chasseur-Regimente waren wohl 200 Flankeurs vor uns, doch vermochten dieselben nicht, das nahe Heranjagen und Feuern der Kosaken zu hindern, so daß unser Regiment in den Gliedern mehrere Blessirte bekam. Wir wollten unsern Husaren mahrere Flankeurs vorschicken, allein wir litten bereits seit längerer Zeit großen Mangel an Patronen, da bei unserem Abmarsch aus Preußen jedem Mann nur 40 Stück Patronen auf den Pferden mitgegeben waren, die theils in den früheren Gefechten verbraucht, theils auf dem weiten Marsch zerrieben und unbrauchbar geworden waren; die französischen Patronen paßten für unsere Karabiner nicht, da die Kugeln zu groß waren, um in den Lauf derselben zu gehen; so blieb uns nichts weiter übrig, als die Kavallerie-Patronen der getödteten oder gefangenen Russen sorgfältig zu sammeln, die, obgleich wieder für unser Kaliber zu klein, doch noch benutzt werden konnten. Bei diesem Gefecht von Rupki forderten wir Offiziere nun von allen unseren Husaren diese russischen Patronen ein und versahen hiermit ungefähr 20 Mann, die noch am besten beritten waren, um als Flankeurs die Front des Regiments von den einzeln vordringenden Kosaken zu befreien. Kaum waren diese Leute vorgesprengt und hatten einigemal gefeuert, als die Kosaken sich so weit zurückzogen, daß sie uns in den Gliedern keinen Schaden mehr zufügen konnten. Bei dieser Gelegenheit fand ein interessanter Streit zwischen zwei Kosaken und dem Unteroffizier Petri der 3ten Eskadron statt: Petri, ein sehr starker, 14 Zoll großer Mann, war etwas zu weit vorgegangen, zwei Kosaken umschwärmten ihn und nach längerem Herumtummeln schlugen sie mit ihren Lanzen die Säbelklinge des Petri entzwei; nun glaubten sie ihn gefangen zu haben, allein Petri warf dem einen Kosaken sein Säbelgefäß nach dem Kopf, faßte die Lanze desselben an der Spitze, riß nach vielem Widerstreben dem Kosaken die Lanze aus der Hand und schlug nun mit der umgekehrten Lanze dem andern ihn verfolgenden Kosaken über den Kopf, daß auch dieser vom Verfolgen nachließ und Petri im Triumph mit der erbeuteten Lanze zu uns zurückkehrte. Obgleich der Lieut. v. Meyrink unsere Flankeurs an diesem Tage kommandirte, so ließ sich der Lieutenant Abraham nicht abhalten, ebenfalls vorzureiten, ums sich ein Kosakenpferd zu erbeuten. Nach einiger Zeit gelang es ihm auch, einen Kosaken herunterzuhauen; indem er nun dessen Pferd am Zügel ergreift, um selbiges einem unserer Husaren zum Zurückführen zu übergeben, kommt ein französischer Chasseur-Offizier in der Karriere auf Abraham von hinten zugesprengt und sticht in mit dem Säbel durch und durch und noch eine Handbreit in den Pferdehals hinein. Abraham sinkt sogleich vom Pferde, und da nun erst der Franzose einsieht, daß er keinen Russen, sondern einen preußischen Offizier erstochen hat, ist er untröstlich und bittet auf den Knieen um Vergebung; auf seinen Schultern trug er Abraham nach der Wassermühle zurück, doch nach einigen Stunden der schrecklichsten Schmerzen starb Abraham, da ihm der Magen durchstochen war. - Unsere Uniform war Ursache der Verwechslung, da ein russisches Husaren-Regiment, fast ganz wie wir gekleidet, bereits mehreremale gegen uns gefochten hatte. Wir konnten vielleicht einige Stunden auf diesem bereits oben beschriebenen Raum mit noch zwölf Kavallerie-Regimentern gestanden haben, als ganz unerwartet ein Schwarm von mehreren tausend Kosaken mit großem Ungestüm und Hurrahruf etwas links von uns einen Angriff machte. Die Franzosen und Polen wurden hierdurch so erschüttert, daß sie alle umkehrten und in der größten Verwirrung nach dem engen Defilee an der Mühle hin stürzten. Der König von Neapel befand sich gerade vor der Front, und durch seinen auffallenden Anzug gerieth er in Gefahr, gefangen zu werden. Unser Regiment allein blieb in Front unerschütterlich stehen und war das einzige von allen dreizehn Regimentern, welches dem Feinde Widerstand zeigte. Da die Kosaken bereits unsern linken Flügel umschwärmten, so machten wir eine Linksschwenkung und zwangen die Kosaken zum Rückzuge. Nun sammelten sich zwar die französischen und polnischen Regimenter wieder, denn einige hatten sogar dicht hinter uns Kehrt gemacht, allein viele Pferde und Leute waren in dem Mühlgraben stecken geblieben und ertrunken.

Der König von Neapel war ganz entzückt über das Benehmen unseres Regiments, er sendete zwei seiner Adjutanten, die Generale Darue und Domont, zu uns, und ließ durch diese viel Belobendes und Schmeichelhaftes sagen, auch solten wir uns eine Gnade ausbitten, - doch letztere haben wir noch zu gute behalten, denn dasjenige, was uns damals am nöthigsten war - Lebensmittel und Kleidungsstücke - konnte uns beim besten Willen doch nicht verschafft werden.

Durch diese That hatten wir nun die Achtung des Königs von Neapel und aller Franzosen uns noch in einem höheren Grade, als bisher, erworben; unser Verlust war auch bedeutend, er bestand im Ganzen in einem Offizier, 4 Mann, 21 Pferde todt und 10 Mann 15 Pferde blessirt.

Nach einigen Vorpostengefechten gelangten wir am 29. August nach Wyäsma; hinter dieser Stadt ist Anfangs offenes Terrain, nur durch kleine Anhöhen unterbrochen, doch in einer Entfernung von einigen tausend Schritten Wald. Unsere Division stand in Zugkolonnen rechts, dicht neben der Straße. Der König von Neapel, stets voran und auf die Bewegungen des Feindes aufmerksam, ritt ganz allein, weit vor unseren Flankeurs in den kleinen Vertiefungen umher; Alle waren sehr gespannt, was er beabsichtigte; nach einer halben Stunde kam er zurück, ließ die Tete unserer Division rechts schwenken, rechts derselben zwei reitende Batterien folgen und uns im starken Trabe eine Viertelmeile in dieser Richtung fortgehen. Kaum hatte der Feind diese Bewegung bemerkt, als derselbe eine starke Kavalleriemasse in Eskadronskolonnen aus dem Walde sendete, um uns zu durchbrechen. Wir blieben noch immer in Zugkolonnen, und durch den verursachten Staub konnte vom Feinde die neben uns trabende Artillerie nicht gesehen werden. Aber als sich die feindliche Kavalleriemasse uns auf 600 Schritt genähert hatte, ließ Mürat Front blasen und sogleich die vierten Züge jeder Eskadron Kehrt machen und durch diese Lücken die Artillerie durchfahren, welche augenblicklich die bereits mit Kartätschen geladenen Kanonen abfeuerte. Dies ganz unerwartete Artilleriefeuer verursachte beim Feinde große Verwirrung und viel Verlust; derselbe kehrte eiligst nach dem Walde zurück, wurde aber von uns nicht verfolgt, wahrscheinlich weil man dort feindliche Infanterie vermuthete. Nachdem wir am 1. September die Stadt Gshat passirt und ein kleines Vorpostengefecht bestanden, wurde am Abend aus dem Bivouak die gewöhnliche Patrouille zum Fouragiren abgesendet, allein dieselbe fand dort keine Korngarben auf dem Felde und brachte uns nur aus der Erde gezogene Haferstauden, woran noch viel Sand und Erde hing, und da diese mühsame Art zu Fouragiren viel Zeit weggenommen hatte, kamen die Fourageure sehr spät und mit weniger Ausbeute zurück. Am 4. September standen wir unweit der französischen Garde-Kavallerie; die Offiziere derselben sprachen viel, wie sie sich in Moskau divertiren wollten und klagten über die bisher ausgestandenen Fatiguen, obgleich bis zu diesem Augenblick noch kein Mann der französischen Garde in’s Gefecht gekommen war, da dieselbe mit möglichster Bequemlichkeit uns nur nachgefolgt war.

Den 5. Septbr. begann bereits das Gefecht mit dem Feinde am frühesten Morgen; derselbe wurde aus zwei Positionen zurückgedrängt; das Regiment hatte an diesem Tage die Avantgarde, und stieß auf die vor Moshaisk aufgestellte feindliche Armee; auch am Abend dieses Tages, wo dem Feinde die seine linke Flanke deckende Schanze genommen wurde, war das Regiment thätig und hatte einen Verlust von 6 Mann und 10 Pferden todt und einem Offizier (den Lieutenant Felgentreu, in der Hand blessirt), so wie 12 Mann 7 Pferde blessirt. - Am 6ten September marschirten wir auf der großen Straße von Borodino vor, links, dicht neben derselben, waren drei Zelte aufgeschlagen, worin Napoleon mit seinen Adjutanten übernachtet hatte. Es konnte 6 Uhr Morgens seyn, als wir hier vorbeikamen; Napoleon ging in einen grau tuchenen Ueberrock gekleidet und mit übereinander geschlagenen Armen vor seinem Zelte auf und nieder, und sah zuweilen nach den vorbeimarschirenden Truppen. An der Lisiere des kleinen Gehölzes links der Straße bezogen wir unsern Bivouak.