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Berliner Bürgergarde 1810 von Jügel und Wolf |
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Nach dem Zusammenbruch der Preußischen Armee infolge des Feldzuges von 1806 wurden zur Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit in zahlreichen Städten des Königreichs Preußen sog. Bürgergarden gebildet. Diese sollten sich aus angesehenen Bürgern rekrutieren und mit ihrer Präsenz anstatt regulärer Truppen für Sicherheit und Ordnung sorgen. Derartige Bürgergarden bildeten sich als Erstes im November 1806 in Berlin - damals zählte es etwa 180.000 Einwohnern - später auch in Brandenburg, Breslau und anderen Städten. Grundlage der Bildung dieser Bürgergarden bildete ein Dekret Napoleons, das er am 2. oder 3. November 1806 an den Generalintendanten richtete. Darin heißt es bzgl. der Organisation in den Städten: Dans les grandes villes, telles de Berlin, Stettin, Francfort-sur-l'Oder, Brandenburg et Halle, ayant plus de 3,000 habitants, il sera formé une garde nationale, qui sera de 1,200 hommes pour Berlin, 40 hommes pour Stettin, 60 hommes pour Halle etc. Ils seront nommé par le commandant francais, qui leur fera remettre des armes, et ils seront à sa disposition pour la police de la ville. Anfänglich bestand die Bürgergarde vornehmlich aus Bürgern der französischen Kolonie, so dass diese mittels ihrer französischen Sprachkenntnisse Konflikte mit den französischen Besatzungsgruppen vermeiden halfen. Durch den Artikel 23 des Friedensvertrages von Tilsit wurden Angehörige dieser Bürgergarden vor Verfolgungen französischer Organe aufgrund während des Feldzuges von 1806/07 vermeintlich begangener Delikte geschützt. Trotz dieses ausdrücklichen Schutzes berichten zahlreiche Berichte an den Preußischen König von der Schwierigkeit, genügend Bürger für den Dienst in der Bürgergarde zu rekrutieren. Exemplarisch sei hier ein Bericht der Immediat-Friedensvollziehungskommission vom 4. Januar 1808 zitiert: Die Errichtung der Berliner Bürgergarde in Berlin ist, wie es E.K.M. bereits bekannt ist, in vielfacher Hinsicht sehr nützlich gewesen, um die innere Ruhe und Ordnung in der Stadt zu erhalten, besonders in der ersten Zeit der allgemeinen Unruhe und Unordnung; sie ist es aber in der Tat auch noch in diesem Augenblicke, indem die Einwohner Berlins dadurch einen bessern Schutz erhalten, als es bei dem nicht immer vorauszusetzenden besten Willen von den fremden Truppen aus Mangel an Kenntnis der Lokalität und der Sprache der Fall sein würde. Es ist daher unter allen Umständen die Beibehaltung der Bürgergarde bis zu dem Zeitpunkte sehr wünschenswert, wo der erwünschte Augenblick einer gänzlichen Befreiung von den fremden Truppen eintreten wird. Vom Status her wurde die Berliner Bürgergarde als nicht-militärische Einheit eingestuft, wie aus einer Kabinettsorder vom 17. Dezember 1808 hervorgeht: ... Die Nationalgarde, Ich wiederhole es hier nochmals, ist kein Militär und soll durchaus als solches nicht angesehen werden und letzteres etwa gar eine Zurücksetzung sich gefallen lassen müssen. Gute Harmonie so wie mit allen Ständen und rechtlichen Leuten empfehle Ich, sonst aber haben beide Gattungen, das Militär, insofern es sich dieses Standes fortwährend würdig zeigt, und die Nationalgarde nichts miteinander gemein, als daß sie jetzt beide so wie auch jede gute Polizei für die Erhaltung der bürgerlichen Ruhe und Sicherheit zu wachen haben ... Auch die französische Besatzung fördert und lobt die Bürgergarde; so wird in einem Bericht des französischen Generalstabes vom 31. März 1809 dies ausdrücklich gelobt: Die Bürgergarde dient weiter wie zu der Zeit, als die Franzosen Berlin besetzt hielten, und ohne sie würde die kleine preußische Garnison für den täglichen Dienst nicht ausreichen. Die Bürgergarde erweist sich sehr nützlich bei der Unterstützung der hohen Polizei. Der größte Teil der Truppen [der Armee] ist nach Schlesien verlegt worden.
Unter dem Obersten Paul André Jordan erreichte die Berliner Bürgergarde eine Stärke von 21 Kompanien mit insgesamt 1.900 Mann, die von einem Generalstab geführt wurden. Sie wurde mit der Besatzung aller 13 Stadtwachen von Berlin betraut. Der Bürgergarde attachiert war eine bei den Berlinern eher unbeliebtes berittenes Schützenkorps ("Corps de Arquebusiers") aus 17 Offizieren und 166 Schützen. Die Unbeholfenheit der Bürgergarde zu Beginn ihrer Existenz beschreibt der Geograph und Historiker Karl Friedrich von Klöden (1786-1856): Um 5 Uhr erfuhren wir, daß wir morgen gegen Mittag von den Franzosen abgelöst werden würden, welche von da ab die Schloßwache beziehen sollten. Unser Bürgerhauptmann, ein ziemlich alter Mann, geriet in eine lächerliche Furcht, daß wir den Franzosen gegenüber eine schlechte Figur spielen möchten, und ganz unrecht hatte er darin nicht. Bei den Bürgerkompanien hatten nur die sogenannten Offiziere eine Art Uniform, blau mit gelben Unterkleidern und dreieckigem Hut. Alle anderen gingen, wie sie waren, in beliebigen Kleidern, mit Büchse, Flinte, Muskete bewaffnet, mit oder ohne Säbel, Degen oder Pallasch, groß, klein und verwachsen, bunt durcheinander. Die Dienstordnung war die gewöhnliche; von allen Toren wurden täglich die Rapporte wegen der einpassirten Fremden nach der Schloßwache und von hier an den Kommandanten abgeliefert, Rapporte, die unser Hauptmann oft nur mit Mühe lesen konnte. Alle Wachtposten waren ohne Ausnahme die alten geblieben, selbst die überflüssigsten, nur waren sie durch Bürger statt durch Militär besetzt. Unser Hauptmann wußte nicht, was er anfangen sollte. Es zeigte sich, daß er fürchtete, die Franzosen könnten sich versehen, uns für preußisches Militär und somit für Feinde halten, und wir wären doch nicht imstande, uns zu wehren. Wir suchten ihn daher zu beruhigen, und es gelang uns; denn eine Bürgerkompanie - gewöhnlich mit dem Spottnamen der "Rauhbeinigen" belegt - für Militär zu halten, wäre wirklich ein Kunststück gewesen. Eher hätte man sie für Nachtwächter nehmen können. Jetzt aber meinte unser Hauptmann, es sei durchaus notwendig, den Franzosen, wenn sie die Wache besetzten, die militärischen Ehren zu erweisen, und wir müßten das Gewehr präsentieren, wenn sie kämen. Auf gehaltene Nachfrage ergab sich, daß nur ein einziger Mann vorhanden war, ein alter Schustergeselle und ehemaliger Soldat, der imstande war, das Gewehr zu präsentieren. Da alle erklärten, bis morgen um 11 Uhr sei das Präsentieren nicht mehr zu erlernen (wie auch sofort eine Probe ergab), so wurde beschlossen, der Schustergeselle solle den Posten vor dem Gewehr erhalten, alle übrigen sollten nach dem Kommando das Gewehr nur mit beiden Händen fassen und vor sich ausgestreckt halten, der Schustergeselle aber sollte im Namen aller vollständig mit allen Griffen präsentieren. Auch dies wurde probiert und ging so ziemlich. Wie man sich aber gegenseitig verständigen und den Franzosen die zu besetzenden Wachtposten angeben und sich bei der Ablösung derselben verhalten sollte, war sehr zweifelhaft und noch nicht entschieden, als die Franzosen anrückten. Viel zu schnell kam dieser Zeitpunkt heran; wir hörten sie schon von der Hundebrücke [Schloßbrücke] her trommeln, und ein ausgestellter Posten machte die Mitteilung, sie kämen. Unser Hauptmann, nachdem der Schustergeselle möglichst stark "Raus!" gebrüllt hatte, kommandierte zitternd, das Gewehr anzufassen. Die Franzosen, zwei Kompanien, zogen durch das Portal der Schloßfreiheit mit vielen Trommeln, die auf dem schallenden Hofe einen furchtbaren Lärm hervorbrachten. Die Franzosen stellten sich am Portal in drei Gliedern auf, machten aber sofort rechtsum und gingen, sobald ihre Tete sich mit uns in gleicher Linie befand, mit linksum auf unsere Reihen los. Der Hauptmann kommandierte: "Präsentiert's Gewehr!" Wir machten unsere Übungen, aber ehe wir fertig waren, wurden wir schon ohne Umstände von der linken Flanke her aufgerollt; unsere ganze Kompanie stob wie eine Herde gescheuchter Tauben auseinander, und die Franzosen nahmen unsere Plätze ein, von uns aber gar keine Notiz. Sie besetzten unsere Posten nach eigenem Belieben, ohne uns zu fragen, keiner von uns wurde abgelöst, und jeder lief nach Gutdünken davon. Unser Hauptmann schüttelte den Kopf und meinte: "Imposant war die Geschichte, aber grob." Auch nach Abzug der Franzosen aus Berlin existierte die Berliner Bürgergarde weiter. Im Jahre 1810 wurde ein "Reglement für die Bürgergarde zu Berlin" erlassen, im darauffolgenden Jahr ergänzte dieses eine Dienstinstruktion und auch ein Anhang mit der Beschreibung der Uniformierung. Parallel zu diesen Schriftstücken erstellten die schon mit ihrer Darstellung der Preußischen Armee 1813-1817 auf Napoleon Online vertretenen Friedrich Jügel und Ludwig Wolf eine Uniformserie. Auch die 10 Tafeln dieser Uniformserie bestechen durch ihre Schönheit und ihren Detailreichtum, die alle Truppenteile der Berliner Bürgergarde abbilden. Alle Tafeln können durch Anklicken der verkleinerten Präsentationen in einem separaten Fenster studiert werden. Erneut danken wir der Kunstbibliothek Berlin für die Erlaubnis zur Veröffentlichung dieser Serie. |
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© Napoleon Online - Letzte Aktualisierung am 31.10.2008 |