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Preuß. Husaren 1812
Abschnitt I

Eine Reihe von Jahren ist seit dem Feldzuge von 1812 dahingeschwunden, in denen wir viele höchst denkwürdige Ereignisse erlebten, und doch wird einem Jeden, der mit der großen französischen Armee den Zug nach Moskau gemacht hat, dieser ihm unvergeßlich bleiben. Dasjenige, dessen ich mich aus demselben noch erinnere, habe ich, zwar mit ungeübter Feder, aber völlig der Wahrheit getreu, hier aufgezeichnet, und es könnte vielleicht als kleiner Beitrag zu dem Werke: Napoleon’s Feldzug in Rußland I 2, vom Marquis v. Chambray, übersetzt durch den Major Blesson, betrachtet werden.

Das Königlich Preuß. kombinirte Husaren-Regiment Nr. 2 war aus zwei Eskadrons des 3ten (Brandenburgischen), und zwei Eskadrons des 5ten (Pommerschen) Husaren-Regiments zusammengesetzt. Der Kommandeur des letzteren Regiments, Oberst v. Czarnowsky, wurde auch zum Kommandeur dieses kombinirten Regiments bestimmt.

Bei den beiden Brandenburgischen Eskadrons (der 1sten und 2ten) standen der Major v. Zieten und der Rittmeister v. Knobloch als Eskadron-Chefs und die Premier-Lieutenants v. Quitzow und v. Eisenhard, die Seconde-Lieutenants v. Teschen, von der Marwitz, v. Crayen, v. Hobe, v. Meyringk, Meyer, v. Probst und Felgentreu.

Die Eskadron-Chefs der beiden Pommerschen Eskadrons (der 3ten und 4ten) waren der Oberst von Czarnowsky und der Rittmeister v. Raven; unter diesen standen der Stabs-Rittmeister v. Manteuffel, Premier-Lieutenant v. Rudorff, Seconde-Lieutenants v. Borcke, v. Tornow, v. Kamecke, von der Golz, v. Kalckreuth, v. Manteuffel, v. Lemcke, v. Bonin, Stiemer (Regiments-Adjutant) und Abraham, so wie auch der Regiments-Chirurgus Dr. Schiele.

Jede Eskadron war 162 Pferde stark, und die vorzüglichsten Leute und Pferde wurden bei dem Abmarsch ausgewählt und mitgenommen.

Im Monat Mai 1812 vereinigte sich diese neu zusammengesetzte Regiment in Ostpreußen, die beiden Brandenburgischen Eskadrons standen in Willenberg, die beiden Pommerschen in Ortelsburg. Der Oberst v. Hünerbein war zu unserm Brigade-Kommandeur ernannt, und nahm sein Quartier in Willenberg; bald darauf erfolgte die Ankunft des französischen Generals Subervie daselbst, vor dem wir zwischen den beiden genannten Städten als Regiment zum erstenmal zusammen exerzierten und uns die ganze Zufriedenheit dieses Generals erwarben. In Stelle des Generals Subervie kam bald darauf der General Graf Ornano, ein Vetter Napoleon’s; doch auch dieser erhielt bald eine andere Bestimmung.

Unser Regiment marschierte im Juni über Soldap, Stallupöhnen und bezog eine Kantonirung an dem Ufer der Tscheschuppe. Durch die bedeutenden Truppenmassen, welche sich bereits in der Umgegend gesammelt hatten, wurden Lebensmittel und Fourage sehr knapp; wir erhielten Befehl, sämmtliche Bauernhöfe unserer Kantonirung genau zu untersuchen und alles vorhandene Korn nachmessen zu lassen; nur wenige Scheffel Korn zu Brot blieben den Bauern, das Uebrige wurde ihnen gegen Quittung weggenommen.

Sowohl der Oberst v. Hünerbein als auch der Oberst v. Czarnowsky, hatten eine andere Bestimmung beim Korps des Generals v. Grawert bekommen und uns verlassen, der Major v. Zieten führte daher unser Regiment, so wie der französische General Roussel d’Hurbai nun unser Brigade-Kommandeur ward. Dieser General war früher in östreichischen Diensten Kürassier-Oberst gewesen, und von Napoleon reklamirt, zum Brigade-General befördert. - Wir marschirten dem Niemen näher und sollten uns auf acht Tage mit Lebensmittel und Fourage versehen; doch diese zu bekommen, war fast unmöglich, und ein Jeder war zufrieden, nur auf wenige Tage mit Brot, Grütze und Hafer versorgt zu seyn. Der Lieutenant v. Kalckreuth wurde zur Dienstleistung als Adjutant beim General Roussel kommandirt.

Am 23. Juni war das Rendezvous unseres Regiments, eine halbe Meile vom Niemen entfernt, auf einer kleinen Plaine, die rings umher mit Wald umgeben, daher vom Feinde nicht übersehen werden konnte. Wir mußten beim Hinmarsch alle offenen Stellen, wo wir vom jenseitigen Ufer gesehen würden, durch Umwege vermeiden. - Einen imposanten Anblick gewährte das gleichzeitige Zusammentreffen so vieler Kavallerie-Regimenter auf diesem Rendezvous; aus allen Winkeln des Waldes sah man Truppen hervorkommen, und kaum war eine Stunde verflossen, als unsere ganze Division auf diesem kleinen Raume konzentrirt war; diese bestand aus vier Brigaden, nämlich dem 8ten französischen Husaren- und 16ten Chasseur-Regimente, unter dem General Piré, dem 7ten Husaren- und 9ten Lancier-Regimente, unter dem General Jaqueneau, dem 6ten und 8ten polnischen Ulanen-Regimente unter einem polnischen General und aus unserm Regimente, welches für sich allein eine Brigade bilden mußte und daher einen schweren Dienst hatte. Diese Division, aus 7 leichten Kavallerie-Regimentern, befehligte der General Bruyère, sie gehörte zum ersten Kavalleriekorps des General-Lieutenants Grafen Nansouty. Der König von Neapel hatte jedoch das Oberkommando über sämmtliche Kavallerie.

Auf diesem Rendezvousplatz wurde bivouakirt, und in der Nacht konnten wir das Schlagen der Brücken über den Niemen deutlich hören. Den folgenden Morgen ganz früh hieß es, daß der Kaiser Napoleon in Civilkleidern vorgeritten sey, um die Brücken zu besichtigen; gegen 9 Uhr Morgens marschirten wir ab, trafen gegen 10 Uhr am Ufer des Niemen ein und fanden hier bereits drei Pontonbrücken fertig. Der Platz zum Uebergange konnte nicht besser gewählt werden, indem längs des linken Ufers sich eine terassenartig nach dem Flusse zu abfallende Hügelreihe fortzog, die mit Kanonen besetzt war, wogegen das gegenüberliegende Ufer ganz eben und nur in einiger Entfernung mit Wald begrenzt wurde. - Unsere Division ging über die dritte Brücke links; vom Feinde war nichts zu sehen, allein ein sehr schweres Gewitter stand gerade über uns, als wir die Brücke passirten, mehreremal schlug der Blitz in den Niemen ein und machte unsere Pferde scheu, gleichzeitig regnete es so heftig, daß wir ganz durchnäßt auf russischem Boden ankamen. - Leider eine üble Vorbedeutung! - Die Stadt Kowno blieb uns links udn wir bezogen nach einem Marsch von einer Meile ein Bivouak, doch gegen Abend ward wieder aufgebrochen und weiter marschirt. Den folgenden Tag passirten wir die erste russische Stadt, wo wir aber nur wenige Einwohner fanden; hier sollte Hafer genommen werden, allein man brachte uns die Nachricht, daß derselbe bereits für die Pferde des Königs von Neapel bestimmt sey. Wir blieben nun fast stets im Marsch; am Tage verweilten wir nur zur Mittagszeit einige Stunden, um die Pferde zu füttern, und des Nachts wurde nur, so lange es finster war, bivouakirt. Lebensmittel und Futter mußte sich jeder selbst beschaffen, daher fast immer kleine Patrouillen seitwärts abgesendet wurden, die uns auch nur wenig brachten; die Pferde bekamen Korngarben, welche wir auf dem Felde vorfanden. - Am zweiten Tage des Ueberganges über den Niemen hielt unser Regiment einige Minuten neben der großen Straße, als wir durch den Anblick unseres preußischen Ulanen-Regiments, welches vorbei marschirte, recht erfreut wurden. Dies waren die beiden einzigen preußischen Regimenter, welche das Schicksal getroffen hatte, mit der großen französischen Armee diesen Feldzug zu machen, und wahrscheinlich aus Mißtrauen des französischen Feldherrn nicht in einer Brigade vereint, sondern bei verschiedenen Korps eingetheilt waren.

Am 28. Juni trafen wir vor Wilna ein; nach einem kleinen Vorpostengefecht, wobei das 8te Husaren-Regiment einige Todte und Blessirte bekam, zogen sich die Russen zurück, nachdem sie vorher das Hafermagazin in Brand gesteckt hatten. - Als unser Regiment in der Vorstadt von Wilna hielt, kam Napoleon im Galopp bei uns vorbei gesprengt; alle Franzosen und Polen riefen ihr “vive l’empereur” doch wir Preußen begnügten uns, diesen merkwürdigen Mann anzusehen, der sich uns hier zum erstenmale zeigte.

Unsere Division passirte Wilna, wo unsere Ankunft besonders den vielen Juden erfreulich schien; gleich jenseits der Stadt bivouakirten wir am Rande eines Fichtenwaldes; es wurden Leute zu dem abgebrannten Hafermagazin gesendet, doch obgleich das Aeußere des Hafers noch unverdorben schien, wollten die Pferde denselben doch nicht fressen, da er einen räucherigen Geruch hatte. Den 29ten hatten wir Ruhe und benutzten dieselbe, um aus Wilna das Fehlende oder schadhaft Gewordene zu ersetzen.

Nun ging es aber in forcirten Märschen auf Disna; kein Feind war zu sehen; von des Morgens früh bis spät Abends waren wir auf dem Marsch und nur die Nacht über im Bivouak; Leute und Pferde griff dies sehr an, mehrere mußten nach Wilna zurückgeschickt werden. - Am 5ten Juli standen wir bei Disna; der General Roussel ritt nach der Stadt zum König von Neapel; die Wohnung desselben war in einem hölzernen Hause, denn fast alle russischen Häuser sind von aufeinander gelegten Holzblöcken gebaut. Die Möbel in derselben waren größtentheils zertrümmert und der Fußboden mit Stroh belegt. In dem Vorzimmer lag ein Adjutant des Königs und der Mameluk auf einem Strohlager und schienen sehr ermüdet. Die gewöhnliche Kleidung des Königs von Neapel war sehr auffallend; er trug einen kurzen hellblauen Rock mit goldenen Schnüren reich besetzt, karmoisinrothe mit goldenen Tressen geschmückte lange Beinkleider, kleine gelbe Halbstiefel mit Goldschnur und Troddeln, große silberne Sporen, einen schwarzen dreieckigen Generalshut mit einem langen weißen Reiherfederbusch; sein schwarzes Haar hing in langen Locken zu beiden Seiten und hinten hinunter, und sein schöner schwarzer Schnurbart gab seinem ausdrucksvollen Gesicht ein recht militairisches Ansehn; er war ein schöner Mann und hatte viel Freundliches und Einnehmendes in seinem Wesen. Seine Adjutanten trugen hellblaue Husaren-Uniformen.

Von Disna marschirten wir bei Polozk vorbei und verweilten einige Stunden in dem nahe gelegenen Kloster Elebaborissa, wo wir die Mönche noch einheimisch fanden.

Am 21. Juli hatte unser Regiment die Avantgarde der Division; nachdem wir einen kleinen Wald passirt waren, fanden wir auf der vor uns liegenden Plaine mehrere Kosaken. Der Lieut. v. Borcke hatte mit 20 Pferden die Spitze; er warf die Kosaken zurück, welche durch einen kleinen Fluß setzten, dessen Ufer ziemlich steil und lehmicht waren, das Regiment folgte dieser Bewegung, und wir fanden, daß gleich in einer Entfernung von 600 bis 800 Schritt sich ein breiterer und tieferer Strom, die Ula, bei dem dahinterliegenden Dorfe Kosziany herumschlängelte; die hölzerne Brücke über denselben war vom Feinde abgebrannt. Der Lieut. v. Borcke ging mit seiner Avantgarde dem Feinde nach, schwamm neben der Brücke durch die Ula, während die Kosaken theilweise abgesessen waren und aus den Häusern des Dorfes feuerten. Unser Regiment stand in Eskadrons-Kolonnen rechts abmarschirt, dicht vor der Ula, wo die Avantgarde durchgeschwommen war; mehrere unserer Leute wurden durch das Feuer der Kosaken blessirt, und da überdem keine Zeit zu verlieren war, wenn wir unsere Avantgarde nicht aufopfern wollten, so brach der Lieut. von Hobe mit seinem Zuge zu Dreien links ab, ohne einen ausdrücklichen Befehl hierzu bekommen zu haben, und das ganze Regiment folgte und setzte durch die Ula. Sobald die beiden brandenburgischen Eskadrons Kosziany passirt hatten, marschirten sie auf und machten eine Attake auf den Feind; die beiden pommerschen Eskadrons blieben aufmarschirt zur Unterstützung vor dem Dorfe halten. Der Feind bestand aus einem Husaren-Regimente (den Morianpolschen) und ungefähr 1000 Kosaken. Der Angriff der beiden brandenburgischen Eskadrons wurde durch die Ueberlegenheit des Feindes zurückgeworfen, da ber die beiden pommerschen Eskadrons zum Soutien vorrückten, kehrte der Feind um, und hierdurch entstand ein furchtbares Handgemenge; die vierten Züge der russischen Husaren waren mit Lanzen bewaffnet, mit diesen konnten sie aber in den zusammengedrängten Haufen nicht fechten, und es wurden daher sehr viele mit unsern Säbeln blessirt. Während nun Alles durcheinander ritt, sah der Lieut. v. Kalckreuth einen Mann zu Fuß ohne Kopfbedeckung in diesem Gedränge herumirren; beim Näherkommen erkannte er in demselben den General Roussel; sogleich rief er einem Gefreiten der brandenburgischen Eskadrons, der in seiner Nähe war, zu, abzusitzen und dem General sein Pferd zu geben; obgleich dieser Gefreite in Gefahr kam, umgeritten und blessirt zu werden, saß er ab und gab dem General sein Pferd, der es auch sogleich bestieg. Wenige Minuten darauf kommt ein pommerscher Husar und zeigt mit großer Freude in Beutepferd; sogleich erkannte der v. Kalckreuth den Schimmelengländer des Generals, und der brave Pommer mußte denselben wieder an den Eigenthümer abgeben. Ein andrer Husar fand auch bald den Hut des Generals, und bevor das Gefecht beendigt, war der General wieder in Besitz alles Verlornen. - Der Feind hatte sich nun zurückgezogen und eine Eskadron unseres Regiments wurde demselben auf einige tausend Schritten nachgesendet. Auf Befehl des Divisions-Generals Brujère mußte unser Regiment auf diesem Kampfplatz die Nacht bivouakiren. Ein Rittmeister, ein Lieutenant von den Husaren und ungefähr 30 Mann und 57 Pferde hatten wir gefangen bekommen und wurden zurückgesendet; unser Verlust bestand in einem Husaren todt und 24 Mann Blessirten. Unser Brigade-General ritt nun zum General Grafen Nansouty, der eine halbe Meile zurück stand, um demselben den Rapport über dies Gefecht zu bringen; mit unaussprechlichem Jubel wurde derselbe von den Franzosen empfangen, und Nansouty versicherte laut, daß er mit 10,000 Mann solcher Truppen, wie unser Regiment, gleich nach Petersburg marschiren wolle.

Wenn man mit Aufmerksamkeit die Aufstellung und den Angriff unseres Regiments bei Kosziany bedenkt, so geht fast mit Gewißheit hervor, daß dies unsere Probe seyn sollte, ob wir vielleicht geneigt wären, zu den Russen überzugehen; denn durch die Aufstellung der französischen Regimenter jenseits des Flusses konnte bei einem Uebergange unseres Regiments zum Feinde derselbe durchaus nicht verderblich werden, da sie während des ganzen Gefechts ruhig die Zuschauer machten, und wie sich auch späterhin zeigte, an der Wegnahme des Dorfes Kosziany nichts gelegen war, da wir nach einigen Tagen ganz rechts gegen Beszencowiczi marschirten. Der Oberst v. Czarnowsky traf in dem Moment beim Regimente ein, als dasselbe eben den Fluß passirte.

Am Tage nach diesem Gefechte gingen wir über die Ula zurück und bezogen ein Bivouak eine Viertelstunde von Kosziany am Rande eines kleinen Gehölzes; unsere Blessirten wurden nach Lepel ins dortige Lazareth gesendet. Ein starkes Gewitter entladete sich über uns in diesem Bivouak, und der Blitzstrahl schlug in einen Baum, unter welchem der auf Avantage dienende junge v. Somnitz aus Pommern lag und hier erschlagen ward. - Bis zum 24. Juli Morgens blieben wir hier stehen, dann marschirten wir durch Beszencowiczi und kamen am 25ten bei Ostrowo vorbei, wo bereits das 8te französische Husaren-Regiment die Avantgarde der Division gehabt und uns sechs russische erbeutete Kanonen entgegenführte. Gleich hinter Ostrowo kam es zum ernstlichen Gefecht; auch unser Regiment rückte in die Schlachtlinie. Das Terrain war eben und wurde nur durch die große Straße nach Witepsk durchschnitten; vor uns war Wald, den der Feind stark mit Infanterie und Artillerie besetzt hielt; viele feindliche Kavallerie stand seitwärts und uns gegenüber; es war das Korps des Generals Ostermann. Wir hatten nur unsere Division und zwei reitende Batterien dem Feinde entgegenzustellen, denn unsere Infanterie war noch zurück; demungeachtet wollte der König von Neapel, der immer bei der Avantgarde war, nicht zurückgehen, sondern diese Position behaupten. Wir standen dem Feinde sehr nahe gegenüber und verloren durch Artilleriefeuer viele Leute und Pferde; mehrere Attaken der französischen Kavallerie waren zurückgeworfen und auch unser Regiment mußte einen Angriff auf die Artillerie machen; es glückte uns, zwischen die feindlichen Kanonen zu kommen, doch ein heftiges Infanteriefeuer aus dem nahen Walde trieb uns wieder zurück, wobei wir viele Blessirte bekamen. In unsere frühere Stellung wieder eingerückt, litten wir fortwährend durch Artilleriefeuer; es sollte daher nochmals ein Angriff gemacht werden, wobei uns das 7te französische Husaren-Regiment unterstützen wollte; wir gingen vor, warfen alles sich uns Entgegenstellende zurück und drangen abermals in die feindliche Artillerie ein, hieben viele Artilleristen herunter und wollten die Kanonen mit zurücknehmen; allein ein mörderisches Infanteriefeuer und daß das 7te Husaren-Regiment uns nicht gefolgt war, waren die Ursache, weshalb wir mit großem Verlust zurück mußten. Wiederum nahmen wir unsere frühere Stellung ein, und ein fortwährendes Kartätschfeuer lichtete unsere Glieder bedeutend. Endlich wie es anfing dunkel zu werden, zogen sich die Russen langsam zurück; wir bivouakirten unfern des Kampfplatzes und hatten nun erst Zeit unsern Verlust am heutigen Tage zu berechnen: Der Rittmeister v. Manteuffel war von einer kleinen Gewehrkugel im Arm, der Premier-Lieut. v. Rudorff in der Kinnlade, so wie der Lieut. v. Kamecke im Schenkel blessirt, außer diesen hatten wir 37 Mann und 43 Pferde an Todten und 43 Mann und 37 Pferde an Blessirten verloren. Sämmtliche Blessirte wurden, wenn ich nicht irre, nach Beszencowiczi gebracht. Am Tage vor diesem Gefecht war der Rittmeister v. Raven mit 150 Pferden zu einer Rekogniszirung auf das jenseitige Ufer der Düna gesendet, der, da auf diesem Punkt keine Brücke vorhanden war, dieselbe durchschwimmen mußte; dieses Kommando traf nun wieder, ohne vom Feinde beunruhigt zu werden, am 26. Juli beim Regiment ein, und hierdurch wurden unsere Züge nun doch wieder seit dem vorigen Abend bedeutend verstärkt. Der polnische Brigade-General in unserer Division war schwer blessirt und mußte hier zurückbleiben, weshalb nun auch die beiden polnischen Ulanen-Regimenter unter den Befehl des Generals Roussel kamen und mit unserm Regimente eine Brigade bildeten.

Am 26. Juli des Morgens beim Vorgehen auf der Straße von Witepsk fanden wir auf dem gestrigen Schlachtfelde noch viele unserer Todten, und unter diesen auch einen jungen v. Bismarck, der bei den brandenburgischen Eskadrons auf Avantage gedient hatte; diese suchten wir, soviel es die Zeit gestattete, durch unsere Säbel mit Erde zu bedecken; bald rückten wir in den vor uns liegenden Wald und erhielten hier mehrere Kartätschschüsse, ohne daß wir etwas vom Feinde sahen. Der Lieut. v. Kalckreuth wurde hierbei leicht blessirt, noch nicht außer Thätigkeit gesetzt. Die beiden polnischen Ulanen-Regimenter machten auf einer freien Stelle im Walde einen glücklichen Angriff auf feindliche Kavallerie. - Sobald wir den Wald im Rücken hatten, dehnte sich vor uns eine große Plaine aus; hier kam Napoleon in unsere Vorposten-Chaine, und saß vom Pferde ab; sogleich sprengten 4 Garde-Chasseurs seines Gefolges vor, saßen gleichfalls ab, nahmen ihre Karabiner in die Hand und bildeten ein Viereck um den Kaiser; in den Bereich dieses Kreises durfte Niemand ohne des Kaisers besonderen Befehl hineintreten. Nachdem derselbe die Stellung des Feindes eine Viertelstunde beobachtet hatte, verließ er uns wieder. In diesem Vorpostengefecht verloren wir 4 Mann 4 Pferde an Todten, und 5 Mann 3 Pferde an Blessirten.

Am 27. Juli erwarteten wir eine Schlacht; Witepsk lag eine halbe Meile vor uns und die Russen hatten eine vorteilhafte Stellung auf den ziemlich bedeutenden Höhen eingenommen. Die französischen Truppen standen in Schlachtordnung, unser Regiment Anfangs in der zweiten, bald aber in der ersten Linie. Nachdem es einige schwierige Terrainvertiefungen glücklich passirt hatte, litt es durch Artilleriefeuer; mehrere russische Rollschüsse gingen durchs Regiment und schlugen in die hinter uns stehenden Regimenter. Der Junker v. Puttlitz, von den pommerschen Eskadrons, verlor durch eine Paßkugel den Schenkel und starb bald darauf, so wie der Unteroffizier Rogge, der, durch mehrere kleine Gewehrkugeln tödtlich verwundet, endlich einen furchtbar qualvollen Tod fand. Unser Verlust im Ganzen war 6 Mann 7 Pferde todt und 5 Mann 3 Pferde blessirt. - Bewunderungswürdig war das Vorgehen der französischen Tirailleurs auf der großen Straße; denn da wir nicht neben denselben standen, konnten wir dies genau beobachten. Die Russen hatten die Höhe, besonders da, wo die Straße hinaufläuft, außer vieler Artillerie auch stark mit Infanterie besetzt; die französischen Tirailleurs krochen auf allen Vieren die Höhe hinauf, benutzten jeden Stein und Baum, um zu feuern; ungefähr auf der Mitte des Weges stand ein kleines Feldwärterhaus, dies zu erreichen war vorläufig ihr Hauptzweck. Kaum war eine halbe Stunde vergangen, als sie im Besitz desselben waren, obgleich sehr viele von ihnen hierbei getödtet und blessirt wurden; doch auch von hier aus krochen die kleinen, sehr gewandten Tirailleurs wie die Ameisen immer weiter, und nach einiger Zeit waren sie im Besitz der Höhe und hatten den Feind verdrängt.

Wir bezogen am Abend einen Bivouak nahe vor Witepsk. Den Marschall Ney sahen wir ganz nahe bei uns vorbeireiten.

Den 28. Juli passirte das Regiment Witepsk; die Einwohner waren größtentheils anwesend, allein fast alle Kaufmannsläden geschlossen, da die Franzosen Anfangs geplündert hatten. - Gleich jenseits der Stadt auf der Straße nach Janowiczi war der Kaiser Napoleon in einer breiten Baumallee mit seinem ganzen Stabe abgesessen, um da die Truppen vorbeimarschiren zu sehen. Sobald die Regimenter in der Nähe des Kaisers kamen, wurde der Parademarsch geblasen; der der polnischen Ulanen, die vor uns marschirten, war ganz wie der französische, doch wie unsere Trompeter den preußischen Parademarsch bliesen, wurde Napoleon aufmerksam und befahl dem General Roussel, den preußischen Obersten zu ihm zu rufen; der Oberst v. Czarnowsky eilte auch sogleich herbei, und Napoleon sagte ihm, wie er mit dem Regimente sehr zufrieden sey und unserm König davon Nachricht geben würde. Hiermit war die Anrede geschlossen, und wir marschirten noch mehrere Stunden, den Feind vor uns hertreibend, bis wir den Bivouak bezogen. - Den folgenden Tag gingen wir auf der Straße von Janowiczi weiter vor; auf dem jenseitigen erhöheten Ufer eines kleinen Baches, der unseren Weg durchschnitt, hielt sich der Feind längere Zeit, und blessirte uns 5 Mann und 3 Pferde hauptsächlich mit Kartätschkugeln. Das diesseitige Ufer war mit Wald bewachsen und nur ein kleiner Raum frei und sehr sandig. Dem General Nansouty mußte wohl das Verweilen hier zu lange dauern, er kam mit seinen Adjutanten vorgesprengt, besah sich die Stellung und befahl dann den bei sich habenden Offizieren und einigen von uns: Allons Messieurs faites de la poussière! Wir wußten Anfangs nicht, was er damit meinte, doch seine Adjutanten kannten diese Aufforderung und jagten im Galopp auf der sandigen Stelle herum, welchem Beispiele wir ebenfalls folgten. Während nun ein starker Staub entstand, fuhr hinter uns eine reitende Batterie auf, deren Ankunft dem Feinde hierdurch verdeckt geblieben war; sobald dieselbe abgeprotzt hatte, machten wir ihr Platz und sie begann sogleich ihr Feuern. Der Feind verließ nun seine Stellung, wir verfolgten denselben und machten auf dem Wege gegen Porietschie mehrere Gefangene und erbeuteten einen Konvoi mit Lebensmitteln.

Als wir am 30. Juli das Städtchen Porietschie erreichten, gewährte dieser Ort einen eigenthümlichen Anblick; keinen Menschen, kein Thier sah oder hörte man, alle Häuser und Buden waren verschlossen und alles wie durch die Pest ausgestorben; es war um die Mittagsstunde und der schönste Sonnenschein; nur einige Häuser und Schuppen brannten und der Feind hatte sich ganz zurückgezogen. - Unsere Division bezog einen Bivouak vor dieser Stadt, der zwar mehrmals verändert ward, wo wir aber bis zum 12. August ohne weiter vorzumarschiren stehen blieben, und während dieser Zeit nur einige kleine Vorpostengefechte zu bestehen hatten. Die Herbeischaffung der Lebensmittel und Fourage wurde mit jedem Tage schwieriger; die danach ausgesendeten Patrouillen stießen auf herumschwärmende Kosakentrupps und durften sich daher nicht weit von unserm Bivouak entfernen; besonders hatten die beiden polnischen Ulanen-Regimenter hierbei viel verloren und waren daher schon sehr schwach geworden. Der Kommandeur des 8ten polnischen Ulanen-Regiments war der Fürst Dominique Raziwil, ein junger, sehr gewandter Herr, der bei seinem ungemein großen Vermögen Alles that, um die Offiziere seines Regiments keine Noth leiden zu lassen, doch auch seine Mittagstafel war öfter sehr mager. Die Stärke unseres Regiments mochte ungefähr 400 Pferde seyn, die aber sehr angegriffen und abgemagert waren; hier in diesem Bivouak erhielten die, welche sich bei den Gefechten von Kosziany und Ostrowo ausgezeichnet hatten, die Dekoration des französischen Ordens der Ehrenlegion, namentlich der General v. Roussel, Oberst v. Czarnowsky, Major v. Zieten, Rittmeister v. Manteuffel, Premier-Lieutenant v. Rudorf und die Second-Lieutenants v. Borcke und v. Hobe.

Die Stadt Porietschie war während unseres Aufenthaltes vor derselben fast völlig abgebrannt, da Niemand dem Feuer Einhalt that und der Wind in den ganz aus Holz gebauten Häusern die brennenden Dachschindeln überall herumwarf.

Bei der sehr drückend werdenden Noth an Subsistenzmitteln war die Nachricht, welche eine polnische Ulanen-Patrouille mitbrachte, sehr erfreulich: es solle sich in der Entfernung von ungefähr drei Meilen ein großes Schloß des Fürsten Potemkin befinden, das mit Lebensmitteln aller Art noch reichlich versehen sey. Von dem General Roussel erhielt ich den Auftrag mit einem polnischen Ulanen-Offizier, 12 Ulanen und 6 Mann unsrer Husaren, dorthin eine Patrouille zu machen . - Wir hatten bereits eine ziemliche Anzahl kleiner Bauerwagen bespannt und durch unsere Leute geführt, bei uns, die wir uns auf dem Marsch verschafft, um das Wenige an Lebensmitteln bei uns zu führen. - Es mochten wohl vierzig dieser Wagen seyn, die ich mit mir bekam. Der Weg zum obenbemerkten Schlosse führte fast stets in einem Walde fort und nur auf wenigen Stellen war es möglich, etwas weiter um sich zu sehen. Eine große Staubwolke verursachte dieser lange Zug, und nachdem ich beinahe drei Meilen marschirt war, ohne vom Feinde etwas zu sehen, gelangte ich in ein Dorf, wo die Einwohner noch sämmtlich anwesend waren und wir einen bedeutenden Vorrath von Hafer vorfanden. Gleich hinter diesem Dorfe war offenes Terrain, und in der Entfernung einer Viertelmeile sah ich das Schloß auf einer freien Anhöhe liegen. Meine Wagen hatte ich im Dorfe halten lassen, und ging mit meiner Avantgarde weiter vor; doch als ich mich dem Schlosse näherte, ließen sich vor demselben mehrere hundert Kosaken sehen und flankirten gegen mich. Zu schwach, um dieselben zurückzuwerfen, mußte ich überdem noch befürchten, meine Wagen zu verlieren, wenn sie einen ernstlichen Angriff unternahmen, daher sendete ich den Ulanen-Offizier nach dem Dorfe mit der Weisung zurück, so rasch wie möglich den dort gefundenen Hafer aufzuladen und sämmtliche Wagen sogleich umwenden zu lassen; so lange wie ich es vermöchte, würde ich mit der Avantgarde den Feind abzuhalten suchen. - Glücklicherweise mußten mich die Kosaken für sehr stark halten, was sie wohl aus der langen Staubwolke, die noch über dem Walde schwebte, abnahmen; denn sie wagten keinen Angriff, sondern blieben beim Herumschwärmen. Endlich, da alle Wagen vollgeladen waren, trat ich meinen Rückmarsch an, wobei mir die waldige Gegend von großem Nutzen ward, und gelangte ohne Verlust in unser Bivouak. Der Hauptzweck war allerdings vereitelt, doch hatten wir auf einige Tage Fourage.