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Preuß. Husaren 1812
Abschnitt III

Den 7. September des Morgens um 8 Uhr begann die Schlacht bei Borodino; es war sehr schönes Wetter, man konnte das ganze Schlachtfeld übersehen. Die französischen Garde-Regimenter waren sämmtlich im Paradeanzug, mit rothen Federbüschen geschmückt und standen als Reserve bei Waluewo in Kolonne. Unser Regiment ging rechts der großen Straße über die Kalotscha gegen Schewardino vor. Mehrere Kavallerieangriffe wurden zurückgeschlagen, und namentlich waren wir eine feindliche Kürassier-Kolonne, die sich eben einer unserer Batterien bemächtigen wollte. Späterhin hatten wir viel durch Artillerie- und Infanteriefeuer zu leiden und verloren an diesem Tage den Lieutenant Meyer, der durch eine Kanonenkugel den Schenkel verlor, sich bald verblutete und starb, 10 Mann und 35 Pferde an Todten und zwei Offiziere, den Rittmeister von Knobloch und Lieutenant Stiemer, so wie 22 Mann 26 Pferde an Blessirten.

Die große russische Schanze, welche auf der Straße dicht neben der Kalotscha auf einer dominirenden Höhe mit 30 bis 40 Feuerschlünden besetzt war, und fast den Mittelpunkt der russischen Stellung bildete, glich einem feuerspeienden Berge; ganz in Pulverdampf gehüllt, sah man nur fortwährend die Blitze der abgefeuerten Kanonen, die in den Gliedern der französischen Truppen eine furchtbare Verheerung anrichteten. – Nur auf ihrem rechten Flügel drangen die Franzosen vor; erst am Nachmittage ward diese große Schanze nebst mehreren genommen. Der Verlust an Menschen in dieser Schlacht war auf französischer Seite sehr bedeutend; wir fanden beim Vorgehen an einigen Schanzen ganze Bataillone noch in Gliedern neben einander todt liegen. Der General Graf Nansouty war schwer blessirt, in dessen Stelle kommandirte nun der General St. Germain, welcher früher eine Kürassier-Division in unserem Kavalleriekorps geführt hatte.

Am folgenden Morgen nach der Schlacht wurde unser Regiment in zwei Eskadrons getheilt, da wir bereits so zusammengeschmolzen waren, daß die acht Züge nur zwölf Rotten stark blieben. Die beiden polnischen Ulanen-Regimenter, in Verhältnis ihrer früheren Stärke noch schwächer als wir, formirten aus jedem ihrer Regimenter auch nur zwei Eskadrons, die Züge aber nur zu neun Rotten.

Wir brachen aus unserem Bivouak bei Somenofskoe auf dem Schlachtfelde am 8. September früh auf, marschirten auf der Straße nach Moshaisk vor; doch kaum hatten wir einen kleinen Wald passirt, als uns auch schon wieder Kosaken umschwärmten und am weitern Vordringen verhindern wollten. Unser Regiment hatte einen Angriff auf die Kosaken gemacht und ging nun in seine frühere Stellung wieder zurück. Bei dieser Gelegenheit benutzten die Kosaken diesen für sie günstigen Moment, uns zu verfolgen, einige kamen dicht an uns heran; der Lieut. v. Tornow zog sein Pistol und schlug dasselbe auf die nächsten Kosaken an, ohne zu feuern; so wie sie die Mündung des Pistols auf sich gerichtet sahen, stutzten sie und wagten nicht, näher zu kommen. Wie ich glaube, war das Pistol des Lieut. v. Tornow gar nicht geladen. Den Bivouak bezogen wir nahe vor Moshaisk.

Auch unsere Offiziere hatten sich während dieses Feldzuges die schon früher erwähnten kleinen Bauerwagen, mit sogenannten Conjas (Bauerpferdchen) bespannt, zur Fortschaffung der vorräthigen Lebensmittel und einiger Fourage, zu verschaffen gewusst, die sich an die Regiments-Bagage anschlossen und hinter uns, in der Entfernung einer Meile, folgten; es verging immer einige Zeit, bevor sich diese Wagen bei uns einfanden, wenn wir unsern Bivouak bezogen hatten; daher war nothwendig, daß immer zwei Offiziere zusammen Menage machten; jeder hatte nur einen Burschen bei sich, um die ersten Einrichtungen im Bivouak zu besorgen. Während nun der eine die Pferde hielt, mußte der andere Pfähle zum Anbinden derselben und Holz zum Feueranmachen herbeischaffen; sobald dies besorgt war, mußten sie nach Wasser geschickt und die Pferde getränkt werden; waren nun unsere kleinen Wagen angekommen, wurde gekocht und nach eingenommenem frugalen Mahle auf eine ausgebreitete Decke niedergelegt und bis zum Anbruch des folgenden Tages geschlafen, wo uns dann die Trompeten nach Verlauf einiger Zeit den Abmarsch verkündigten. Den Feind fanden wir immer dicht vor uns, das Flankiren begann und wurde gewöhnlich beim Vorrücken bis zum Abend fortgesetzt. So ging es fast täglich, und wir gewöhnten uns an diese Art zu leben, fast immer zu Pferde zu seyn, so daß, wenn wir zufällig einen Ruhetag bekamen, es einem Jeden sehr auffiel. Doch mehrere unserer Offiziere und viele Leute und Pferde ermatteten, mußten dann einige Tage zur Bagage zurückgehen, und sobald sie sich etwas erholt hatten, kamen sie wieder zu uns.

Am 9. September gingen wir durch Moshaisk; der große Kirchthurm hatte in einiger Entfernung ein ganz eigenthümliches Ansehen, das wir uns Anfangs nicht erklären konnten, doch bei näherer Besichtigung fand es sich, daß derselbe mit einem großen Baugerüst umgeben war und man im Begriff gewesen, einige Reparaturen daran vorzunehmen. – Auch diese Stadt war von den Einwohnern verlassen, eine unzählige Menge russischer Blessirten befand sich hier. Den 10. September litten wir durch eine starke Kanonade einigen Verlust, wobei der Lieutenant v. Lemcke leicht blessirt, 4 Pferde todt und 2 Mann 4 Pferde blessirt wurden.

Auf der Straße nach Moskau immer weiter vordringend, zählten wir nun schon an den Pfählen, worauf die Werste bezeichnet waren, die Entfernung bis Moskau; dort hofften wir Ruhe und Erholung von allen Strapazen zu finden. – Ganz unerwartet bekamen wir am 11. September einen Ruhetag. – Am 12. und 13. September fanden wieder kleine Gefechte statt, wobei der Lieut. von Meyrink durch ein Stück einer Granate an der Hand leicht blessirt ward. Unser Regiment war am ersten dieser Tage in einer Vertiefung aufgestellt, wo unsere Kanonen dicht hinter uns, auf der Höhe aufgefahren, über uns fortschossen; bei aller Ermattung wurden unsere Pferde hierbei unruhig, allein die Erschütterung und der Druck der Luft der über uns hinfliegenden Kugeln waren auch sehr stark. Bald darauf, als wir weiter vorgegangen waren, hatte der Feind eine Stellung an der Lisiere einer jungen Fichtenschonung aufgenommen, die, mit einem kleinen Graben und Aufwurf umgeben, seine dahinter aufgestellte Artillerie ziemlich deckte. Auf einer Plaine mußten wir heranrücken und verloren durch dies Artilleriefeuer viel Leute und Pferde; da eilte eine französische reitende Batterie vor: schon während des Vorgehens stürzten mehrere Pferde derselben, von Kanonenkugeln getroffen, dennoch marschirte sie im heftigsten Feuer auf, protzte ab und während alle Augenblicke Pferde und Leute fielen und durch andere sogleich ersetzt wurden, begann sie ihr Feuer mit einer Ruhe und Sicherheit, daß die feindliche Batterie bald zum Schweigen gebracht wurde. Dies Beispiel einer fast unglaublichen Bravour sah ich mit eigenen Augen dicht neben uns. Unser Bivouakplatz am 13. September Abends war noch ungefähr 21 Werst von Moskau entfernt; nur in einer ziemlichen Entfernung fanden wir Korngarben für die Pferde. Mit vieler Gewissheit erwartete man vor den Mauern Moskaus eine Schlacht, da durch Ueberläufer und Gefangene erzählt ward, daß Moskau auf der Westseite mit Schanzen umgeben sey, die mit vielen Kanonen besetzt wären; wie groß war daher unser Erstaunen, als wir am 14. Septbr. des Morgens aufbrachen und auch keinen Mann feindlicher Truppen gegen uns fanden. Zwei Meilen waren wir mit vieler Vorsicht Moskau näher gerückt, als wir die vor uns liegenden Höhen durch Schanzen befestigt sahen und jeden Augenblick einen tüchtigen Kugelregen erwarteten; allein Alles blieb ruhig und bei näherer Besichtigung dieser kleinen Schanzen fand man noch grünes Reis von Fichten und frisches Laub von Birkenholz, welches nur den Tag zuvor eingeflochten seyn konnte, an den Schanzkörben und vor denselben umhergestreut. Man mußte also erst sehr spät die Idee, Moskau zu vertheidigen, aufgegeben haben. – Gegen 10 Uhr des Morgens gelangten wir auf der Höhe des Grußberges vor Moskau an; auf diesem Punkt kann man einen großen Theil der Stadt übersehen. Ein bezaubernder Anblick bot sich uns dar: Hunderte von Thürmen mit vergoldeten Spitzen und Knöpfen, hellgrünen Kuppeln, großen Kirchen und Palästen mit schönen Gärten umgeben, lagen vor uns; Jeder blickte mit Sehnsucht hinab, und glaubte nun das Ende seiner Leiden erreicht zu haben und glückliche Tage zu verleben. Ueber eine Stunde verweilten wir hier, da kam Napoleon, saß vom Pferde und erwartete eine Deputation aus der Stadt, doch diese ließ lange auf sich warten; endlich hieß es, sie sey im Anzuge; doch bevor dieselbe eintraf, marschirten wir ab, ließen Moskau rechts, durchritten die Moskwa bei einer Furth und bezogen einen Bivouak auf freiem Felde. Sehr auffallend war es uns, gar keinen Einwohner aus der Stadt zu uns herauskommen zu sehen; denn noch hatten wir keine Ahnung, daß Moskau von denselben verlassen sey. Gegen Abend bemerkte man, daß in der nächsten Vorstadt mehrere Raketen stiegen; wir vermutheten, daß dort ein Feuerwerk abgebrannt würde; aber wahrscheinlich war dies ein verabredetes Signal zum Anstecken der Stadt. – Es fing schon an dunkel zu werden, als wir aus unserem Bivouak wiederum aufbrachen und noch mehr links, über den großen Exerzierplatz marschirten, um die Straße von Moskau nach Petersburg zu besetzen. Bei stockfinsterer Nacht erreichten wir diesen Punkt, und nachdem einige Bivouakfeuer brannten, sahen wir eine sehr weiße Mauer neben uns. Es war das Kaiserliche Schloß Petrowski, eine halbe Stunde von Moskau entfernt. Kurz vor unserem Eintreffen waren noch einige Kosaken hier gewesen. – Einen imposanten Anblick gewährte von hier aus der französische Bivouak: auf dem großen ausgedehnten Raume des russischen Exerzierplatzes und dem amphitheatralisch steigenden Grußberge brannten viele tausend Bivouakfeuer; Alles war froh gestimmt und jubelte.

Am 15. September blieben wir bei Petrowski stehen; gegen Mittag sahe man bereits mehrere Rauchsäulen in der Stadt aufsteigen, das Feuer griff immer mehr um sich und wir wurden nun wohl inne, daß unsere schönsten Hoffnungen auf Ruhe und Erholung dahinschwinden müßten.

Den 16. September marschirten wir ab und durch das brennende Moskau; viele todte Russen fanden wir in den Straßen, größtentheils alte Leute, die, beim Feueranlegen betroffen, sogleich erschossen worden waren. Indem wir nun in einem langen Zuge diese große, weitläufige Stadt passirten, kamen wir öfter an Stellen, wo im Trabe vorbeigeeilt werden mußte, um nicht von den herunterfallenden Trümmern der Häuser oder der großen Hitze der brennenden Gebäude beschädigt zu werden; dennoch war aber der Drang, Lebensmittel zu bekommen, so groß, daß einzelne Leute jeder Gefahr trotzten und in die brennenden Häuser hineinstürzten. Auch ich wurde durch diese Beispiel zu einem ähnlichen Versuch verleitet, denn als wir bei einem großen Palast vorbeikamen, sahe ich mehrere Franzosen aus dem Hofe desselben mit Weinbouteillen herauskommen; sogleich rit ich mit meinem Diener auch dort hinein, wobei mich der Lieut. v. Manteuffel begleitete. Oben brannte dies Haus bereits und die Flammen griffen mit jedem Augenblick weiter um sich; wir saßen ab und eilten in den Keller; dieser war voller Franzosen von allen Truppenarten; nur mit Mühe gelangten wir hinein, doch der obere Keller war bereits vom Wein aufgeräumt und aus einem zweiten, unter dem ersten, langten mehrere Chasseurs sich Weinbouteillen einer dem andern zu; dort hinunter zu kommen war unmöglich, überdem stürzten alle Augenblicke neue Haufen Soldaten vom Hofe aus herein, die uns zuriefen herauszukommen, da das ganze Haus und die Hofgebäude brannten und wir im Keller verschüttet werden würden, doch hieran kehrte sich Niemand; glücklicherweise suchte ich mich in die Reihe der Chasseurs zu drängen und erhielt, ohne ihren eigentlichen Willen, einige Bouteillen zugereicht, die sie ihren Kameraden zu geben glaubten. Der Tumult wurde immer größer und wir befürchteten, daß der Boden des oberen Kellers, worin wir waren, durch die stets sich vermehrende Menschenmenge einstürzen und dann Niemand herauskommen könnte, daher waren wir mit unserer wenigen Beute zufrieden und drängten uns mit vieler Mühe endlich aus dem Keller hinaus. Auf dem innern Hofraum hielt mein Diener die Pferde, rasch saßen wir auf; aber nun war es schwierig die Straße zu erreichen, denn der Thorweg stand in vollen Flammen. Nur Schnelligkeit konnte helfen, daher nahmen wir unsere Pferde zusammen, setzten sie in Galopp und sprengten glücklich durch die Glut. – Beim Kreml kamen wir vorbei, doch war der Eingang mit Schildwachen besetzt, und wir sahen denselben nur in einiger Entfernung. Mehrere Stunden hatte unser Marsch durch Moskau gedauert, gegen Abend bezogen wir den Bivouak auf der Straße nach Kasan, ungefähr zwei Meilen von Moskau, nachdem wir gegen Kosaken einige Zeit flankirt hatten.

Gleich beim Einrücken in diesen Bivouak fand eine Begebenheit eigenthümlicher Art statt: Zufällig stand auf der unserer Division angewiesenen Lagerstelle ein Heuschuppen, wie man dergleichen dort mehrere auf freiem Felde findet; aus diesem zu fouragiren war wohl der erste Gedanke eines Jeden von uns, daher wurde auch sogleich, bevor wir noch abgesessen waren, der Lieut. v. Tornow mit mehreren Husaren unseres Regiments dorthin zum Fouragiren kommandirt. Doch der Adjutant des französischen Generals Jaquineau, ein Hauptmann Lacroix, war bereits früher bei diesem Heuschuppen mit einer Ordonanz eingetroffen und als der Lieutenant v. Tornow sein Kommando aufmarschiren ließ, um Heu herausholen zu lassen, tritt ihm der Hauptmann Lacroix zu Fuß mit der Aeußerung entgegen, daß dies Gebäude zum Quartiere des Generals Jaquineau bestimmt sey. Tornow erwiedert ihm hierauf, daß er auch nichts dagegen habe und nur einiges Heu für’s Regiment daraus nehmen wolle, doch Lacroix meint, dies gebrauche der General selbst, und er würde Niemand hineinlassen. Während dieses Gesprächs, wo der Lieutenant v. Tornow noch zu Pferde war, berührt dies Pferd zufällig mit dem Kopf die Schulter des Hauptmanns Lacroix, Letzterer glaubte aber wahrscheinlich, daß dies durch den Willen des Tornow veranlasst sey und sagte zu Tornow: „Bougre!“ Hierüber wurde Tornow heftig aufgeregt und ritt den Lacroix wirklich an. Der Hauptmann Lacroix zieht seinen Säbel und haut auf Tornow ein; dieser, zwar überrascht, aber auch sogleich seine Klinge ziehend, erwiedert die Hiebe, doch bald kehrt der Franzose um und läuft eiligst davon; unser Tornow springt vom Pferde, eilt demselben nach, bald hat er ihn eingeholt, und während nun der Hauptmann in schnellster Flucht um eine nebenstehende Scheune läuft, bekommt er von dem Lieutenant v. Tornow eine Menge flacher Hiebe über Kopf und Rücken, bis sein Hut verloren geht und er ganz außer Athem in der Nähe einiger unserer Offiziere stehen bleibt. Tornow war eben im Begriff, ihm den Kopf zu spalten, glücklicherweise wurde dieser Hieb aber von einem unserer Kameraden abparirt und dieser Streit beendigt. Da dieser Kampf in der Nähe mehrerer Franzosen stattfand, erhob sich ein großer Lärm, und namentlich war der andere Adjutant des Generals Jaquineau sehr heftig erzürnt gegen den Lieut. von Tornow, und versicherte laut, derselbe müsse todtgeschossen werden. – Um nun vorläufig alle Gelegenheit zur Fortsetzung dieses Streites zu vermeiden, wurde der Lieutenant v. Tornow sogleich zum Regiment gesendet. – Dieser Vorfall machte natürlich viel Aufsehn, und es wurde am folgenden Tage im Bivouak hierüber ein Protokoll aufgenommen; obgleich sich der Hauptmann Lacroix besonders darauf berief, bereits vorher, bevor der von Tornow vor dem Heuschuppen mit seinem Kommando angekommen sey, eine Schildwache dorthin gestellt zu haben, um das Quartier des Generals zu markiren, so konnte doch durch Augenzeugen bewiesen werden, daß diese Aussage unwahr sey und erst beim Beginn des Wortwechsels die Ordonnanz des Adjutanten von ihm den Befehl erhielt, den Säbel zu ziehen und sich dort aufzustellen. – Mehrere Tage vergingen, und endlich wurde befohlen, daß der Lieutenant von Tornow drei Tage Arrest bekommen sollte. Diesen Arrest mußte der von Tornow im Hauptquartier des Generals Saint Germain zubringen, wo es ihm besser ging als uns auf Vorposten. – Wie man uns versicherte, sollte an dieser gelinden Bestrafung besonders der General Pierè Ursache seyn, der beim Kriegsgericht die andern Offiziere aufmerksam gemacht habe, daß der Hauptmann Lacroix doch auch viel Schuld habe, und wenn die Sache vor den König von Neapel käme, der den Preußen sehr gewogen sey, auch der Lacroix hart bestraft werden würde.

Wenn gleich am 17. September sehr schönes Wetter war, so stand zufällig der Wind von Moskau auf uns, und hoch über uns zog eine dicke schwarze Wolke, aus dem Rauch des fürchterlichen Brandes gebildet, welche die Sonne verdunkelte und sie uns nur als eine feurige Kugel sehen ließ. Dieser Anblick war schrecklich und die Hoffnung auf Ruhe und Erholung bei herannahendem Winter nun für uns verloren. Doch glaubte man noch immer, wenigstens einen Frieden abzuschließen, wo uns dann gute Winterquartiere erwarteten. – Einige Bouteillen Wein und nur wenige Lebensmittel war das Einzige, was uns aus Moskau in diesen Bivouak nachgesendet wurde. Man mußte in dieser Nacht einen Angriff erwarten, denn außer den Vorposten war unsere ganze Division während derselben zwar nicht aufgesessen, aber doch die Pferde am Zügel als Piket aufgestellt; doch erfolgte kein Angriff.

Als wir am 18. September auf der Straße nach Kasan weiter vordrangen und die Moskwa wiederum passirten, wo mehrere Kosakenpulks gegen uns fochten, wurde gegen Mittag Halt gemacht, die Flankeurs zurückgenommen und auch die Kosaken hörten auf zu feuern; es hieß, wir hätten einen Waffenstillstand abgeschlossen. Zwischen der Vorposten-Chaine lag ein Dorf, welches sich noch die Kosaken zueignen wollten, doch einige französische Generale sprengten vor, ritten durch die Linie der Kosaken und ließen nicht eher nach, als bis uns dieses Dorf zum Fouragiren überlassen wurde. Nun bezogen wir den Bivouak, aus demselben sendeten mehrere Offiziere ihre Burschen nach Moskau, um dort Lebensmittel und Bekleidungsgegenstände zu holen. Am folgenden Tage kehrten dieselben auch wieder zurück und brachten uns Wein, Grütze, Brot und auch einige Fußbekleidungen mit, deren wir sehr nöthig bedurften, da wir weder Zeit noch Gelegenheit hatten, diese auf dem fortwährenden Marsch ausbessern zu lassen. Am 19. und 20 September verblieben wir hier und die Waffenruhe dauerte fort. Den 21. September brachen wir wieder auf und gingen ganz rechts auf kleinen Feldwegen nach der Straße, die von Moskau nach Kaluga führt. Es hatte an den vorigen Tagen geregnet und der fette Lehmboden war daher für die Artillerie sehr schwierig zu passiren. Dieser unerwartete Seitenmarsch mußte von den dortigen Einwohnern nicht vermuthet worden seyn, denn wir fanden mehrere in ihren Wohnungen einheimisch, namentlich kamen wir bei einem sehr gut gebauten herrschaftlichen Landhause vorbei, wo der Eigenthümer anwesend und sich Alles in der besten Ordnung befand; hier hatte der König von Neapel sein Hauptquartier aufgeschlagen. Auf uns machte der Anblick eines wohnlich eingerichteten Hauses, mit allen Bequemlichkeiten versehen, einen sehr angenehmen Eindruck, und der Wunsch, auch wieder in Behaglichkeit leben zu können, wurde sehr lebhaft. Mehrere Tage blieben wir nun im Marsch, auch an einigen wurde geruht; erst am 27. September hatten wir wieder eine kleines Gefecht, und so gelangten wir ohne bedeutenden Verlust am 4. Oktober bei Tarutino, dem Landsitz des Gouverneurs von Moskau, General Rostopschin, an. Das Schloß war bereits abgebrannt und nur zwei hohe Säulenportale, auf denen in Stein gehauene Pferde, sich bäumend (gleich denen auf dem Museum zu Berlin), stehen geblieben. Es wurde uns erzählt, man hätte bei der Ankunft an diesen Säulen eine schriftliche Bekanntmachung in russischer und französischer Sprache angeschlagen gefunden, die so gelautet hätte: „Ich habe dieses mein Schloß mit eigenen Händen angezündet, damit die Hunde von Franzosen hier kein Quartier finden sollen. Rostopschin.“

Diese Bekanntmachung war von den Franzosen sogleich abgerissen und vernichtet worden.

Wir passirten hier das kleine Flüßchen Nara; eine starke halbe Meile auf dem Wege nach Kaluga fanden wir die dortigen Anhöhen mit feindlicher Kavallerie besetzt, es entspann sich ein Gefecht, das mit jedem Augenblick heftiger wurde. Unser Regiment wurde während desselben auf einem Feldwege rechts zu einer Rekogniszirung versendet; nachdem wir einen kleinen Wald passirt hatten und unser General zu weit auf der Plaine vorgegangen war, wurden wir ganz unerwartet von der feindlichen Kavallerie, die uns bereits umgangen, angegriffen und zurückgeworfen; glücklicherweise eilte ein polnisches Chasseur-Regiment zu Pferde aus dem Walde zu unserer Unterstützung entgegen. Einige unserer Diener und Marketenderinnen wurden hierbei gefangen, doch ranzionirten sie sich bald wieder.

Nun kehrten wir zu unserem Korps zurück und bestanden ein hartnäckiges Kavallerie-Gefecht; mehreremale gingen wir vor, doch vom Feinde wieder zurückgedrängt, behaupteten wir wenigstens unsere zuerst innegehabte Stellung; dicht neben uns wurde ein französisches Chasseur-Regiment zu Pferde von einem starken Schwarm Kosaken attakirt, mit vieler Geistesgegenwart ließ selbiges die Kosaken auf einige hundert Schritt auf sich herankommen, dann gab es eine Karabiner-Salve, die Kosaken stutzten, und wären die Chasseurs nur wenige Schritte vorgerückt, so hätten sie die Kosaken unfehlbar zusammengehauen, allein gleich nach dem Karabinerfeuer kehrten die Chasseurs um und ritten en débandande davon; die Kosaken verfolgten sie nun, und der linke Flügel unseres Regiments, so wie der der beiden polnischen Ulanen-Regimenter, wurde hierdurch bedroht; letztere, obgleich jetzt sehr schwach an Leuten, schwenkten links, fällten die Lanzen und blieben ruhig halten; die Kosaken waren dicht vor ihnen, wagten jedoch nicht einzudringen; nun attakirte sie unser Regiment, warf sie zurück und nahm einige gefangen. Ganz unerwartet marschirten zwei französische Kürassier-Regimenter neben uns auf, die noch gegen die andern sehr stark, das heißt ungefähr ein jedes an 200 Pferde, waren; wir hatten sie bisher noch nie gesehen, auch ihre Uniform war glänzender, als die der übrigen Kürassiere, die Kürasse waren vergoldet und auf den Helmen hatten sie rothe aufstehende Roßschweife; es waren die beiden Karabinier-Regimenter.

Das Gefecht zog sich bis Abend hin und auf derselben Stelle, wo dies vorgefallen war, bezogen wir den Bivouak.

Der Major v. Zieten, welcher bisher das Regiment kommandirt hatte, war an diesem Tage von einer kleinen Gewehrkugel am Knie blessirt und mußte daher die Führung des Regiments dem Premier-Lieutenant v. Eisenhard, als dem ältesten aktiven Offizier, übergeben. An Todten hatten wir 10 Pferde, blessirt waren 5 Mann, 2 Pferde.

Nur aus Gewohnheit behielten wir die Benennung: Regiment; denn ein Trupp von 10 bis 11 Lieutenants und 40 Pferden konnte billigerweise nur eine Detachement genannt werden, und stärker waren wir hier nicht mehr. – Die Bagage des Regiments stand eine Viertelmeile hinter uns in einer kleinen Schlucht, wobei die leicht blessirten und kranken Offiziere und Mannschaften sich befanden; viele litten an der Ruhr, da wir schon mehrere recht kalte Nächte gehabt hatten. Diejenigen, welche schwerer blessirt oder erkrankt waren, wurden nach Moskau geschickt, doch war die Verbindung mit diesem Ort nicht immer ganz sicher, denn mehrere Leute, unter Andern auch unser Stabstrompeter Auras, mußten unterweges gefangen genommen worden seyn, da derselbe weder in Moskau bei dem Lieutenant von Probst ankam, noch je wieder gesehen wurde.